Gelebte Solidarität

Echt • Wir in Reinickendorf • 09/2016

Martin Végh (56) kommt aus Nürnberg, also ein Berliner mit „fränkischem Migrationshintergrund“. Er ist mit seiner Familie seit 22 Jahren in Tegel zuhause. Die Tochter macht gerade ihr Abi. Als Diplom-Mathematiker leitet er die Computer-AG an einer Grundschule. In der Freizeit unterstützt er die Kirchengemeinde Alt-Tegel.

Wenn Martin aus dem Fenster - so ein bisschen um die Ecke - sieht, hat er den Tegeler Hafen vor sich. Zur PDS kam er, als eine Bürgerinitiative die Insel im Tegeler Hafen retten wollte, aufgebracht über die Verscherbelung des „Filetstücks“ durch Wanjura, Balzer und Co. in private Hände. Das Ergebnis dieses Frevels ist heute zu besichtigen: Luxusquartiere für 314.000 bis 620.000 Euro, bald auch Floating Homes auf der Humboldtinsel. Tegel nur noch Heimat für Gutverdiener?

Als die ersten Geflüchteten nach Reinickendorf kamen, waren Martin und seine Frau zur Stelle. Ende Mai 2013 trafen sich gut sechzig Reinickendorfer*innen im Marie-Schlei-Haus. Sie verabredeten sich, den Geflüchteten und Asylsuchenden zu helfen, menschenwürdig in unserem Bezirk zu leben und ihre Integration zu erleichtern. Ein Netzwerk „Willkommen in Reinickendorf“ entstand. Heute sind es mehr als 800 Bürger*innen, die mit anpacken. Das ist keine leichte Aufgabe. Denn Reinickendorf beherbergte Ende Mai 2.800 Geflüchtete in zwölf Unterkünften. Das Netzwerk organisiert Deutschkurse, vermittelt Sach- und Geldspenden, hilft beim Besuch von Ämtern, initiiert vielfältige sportliche Aktivitäten und fördert und organisiert Begegnungen zwischen Reinickendorfern und ihren neuen Nachbarn - als Höhepunkt alljährlich ein Begegnungsfest. Ohne die Unterstützung von gemeinnützigen Organisationen, Sportvereinen, Kirchen, Schulen, Unternehmen, der Polizei gelänge das nicht. Reinickendorf hat zwar immer noch kein Integrationskonzept als BVV-Drucksache, aber in Oliver Rabitsch einen tollen Integrationsbeauftragten, der Integration täglich praktiziert.

Von Beginn an engagieren sich Mitglieder der Reinickendorfer LINKEN beim Netzwerk. Martin ist einer von ihnen. Warum er das macht? Menschen zu helfen, ist ihm wichtig. Es bereitet ihm Spaß, wenn die Kinder ihn beim Deutschunterricht mit „Hallo!“ begrüßen; wenn er mit ihnen in Lübars Drachen steigen lässt; wenn er in der Fahrradwerkstatt mit rumpusseln kann. Er ist neugierig auf andere Menschen, betroffen über die Schicksale, von denen er erfährt. In der Kirche heißt das Nächstenliebe, bei den Sozialisten - Solidarität.

Martin macht darüber keine großen Worte. Er ist da, wenn er gebraucht wird.

Ach, so: Im Integrationsausschuss der BVV ist er regelmäßig dabei, oft auch im Haushaltsausschuss – noch als Gast. Die Wahlversammlung der LINKEN hat ihn auf ihre Kandidatenliste für die nächste BVV gesetzt.

Dr. Klaus Gloede

"Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst." (Matthäus 22, 39)