Prof. Dr. Hans-Ulrich Deppe

  • geboren 1939 in Frankfurt/Main
  • Studium der Medizin, Soziologie und politische Wissenschaften in Frankfurt/M, Berlin, Würzburg und Marburg
  • 1965 Promotion über ein biochemisches Thema, Assistent am Soziologischen Institut der Universität Marburg
  • 1973 Ernennung zum Professor für Medizinische Soziologie im Fachbereich Medizin der Universität Frankfurt/M
  • 1973-2005 Direktor des Instituts für Medizinische Soziologie im Fachbereich Medizin der J.W.Goethe-Universität Frankfurt/M


Wissenschaftliche Schwerpunkte:

Gesundheitssystemforschung, Begleitforschung zur deutschen Gesundheitspolitik, politische Ökonomie des Gesundheitssystems, intern. Vergleich von Gesundheitssystemen, soziale Bewegungen im Gesundheitswesen. 

Zahlreiche Veröffentlichungen (Auswahl):

  • Medizinische Soziologie, Aspekte einer neuen Wissenschaft,Frankfurt a.M. 1978. Fischer Verlag. 
  • Krankheit ist ohne Politik nicht heilbar, Frankfurt a.M. 1987. Suhrkamp Verlag.
  • Perspektiven der Gesundheitspolitik, Frankfurt a.M. 1990. VAS Verlag.
  • Medizin und wirtschaftlicher Wettbewerb, Frankfurt a. M. 1998, VAS-Verlag für Akademische Schriften. (hrsg.)
  • Solidarische Gesundheitspolitik, Alternativen zu Privatisierung und Zwei-Klassen-Medizin, Hamburg 2002, VSA-Verlag. (hrsg. mit W. Burkhardt) Zur sozialen Anatomie des Gesundheitssystems. Neoliberalismus und Gesundheitspolitik in Deutschland, 3. Aufl., Frankfurt/M 2005.

Deppe gründete zahlreiche akademische und wissenschaftspolitische Organisationen oder war maßgeblich daran beteiligt: den Arbeitskreis Kritische Medizin (Marburg), das Institut für Medizinische Soziologie im Universitätsklinikum Frankfurt am Main, die Zeitschrift Demokratisches Gesundheitswesen, die Deutsche Gesellschaft für Medizinische Soziologie, die Liste Demokratischer Ärzte in der Landesärztekammer Hessen, den Verein Demokratischer Ärztinnen und Ärzte (VDÄÄ) sowie die International


Privatisierung ist Enteignung der Gemeinschaft

Rede auf der DGB-Kundgebung zum 1. Mai 2007, Marburg (Auszug)

Das um sich greifende Rentabilitätsdenken in der Medizin führt zu einer immer stärkeren Kommerzialisierung in der Krankenversorgung. Das äußert sich darin, dass die Effizienz, die wirtschaftliche Kosten-Nutzen-Relation, immer mehr in den Vordergrund geschoben wird und auf Teufel komm raus schwarze Zahlen geschrieben werden müssen.

Aber die Häufigkeit und Schwere von Krankheiten richten sich leider nicht nach der jeweiligen Finanzsituation. Vom Arzt wird immer nachhaltiger eine messbare Leistung zu einem festgesetzten Preis verlangt. Diese Leistung nimmt zunehmend Merkmale einer Handelsware an, die unter Bedingungen der Konkurrenz erbracht wird. Entsprechend verwandelt sich der Patient immer mehr in einen Kunden, an dem verdient werden soll. Und der beste Kunde ist in der Regel der, an dem am meisten verdient wird. Patienten werden unter solchen Bedingungen dann vielleicht wie "König Kunde“ bedient, aber nicht mehr wie kranke Menschen behandelt.

Solidarische Alternativen sind möglich! Im Gesundheitswesen wird dabei an folgende Grundsätze gedacht:

  • Die Krankenversorgung ist alleine am medizinischen Bedarf auszurichten.
  • Die gesamte Bevölkerung hat freien Zugang zur Krankenversorgung.
  • Die medizinischen Leistungen sind für alle gleich, unabhängig von den individuellen finanziellen Möglichkeiten.
  • Die Finanzierung erfolgt solidarisch in Form von Steuern oder Beiträgen.
  • Gesundheitsförderung hat einen erheblichen Nachholbedarf gegenüber der Krankenversorgung.

Diese Eckpunkte richten sich gegen die Unterwerfung der Krankenversorgung unter die kommerziellen Gesetze des globalen Marktes. Sie stehen für eine Absicherung des sozialen Risikos Krankheit durch die solidarische Bereitstellung öffentlicher Güter. Sie demonstrieren, dass das Prinzip der Solidarität als Alternative zur Privatisierung und Kommerzialisierung der Krankenversorgung möglich ist.


Interview für taz, 3.11.2006

In Zukunft soll das Gesundheitssystem stärker durch Steuern finanziert werden. Werden die Versicherten entlastet?

Ich bin prinzipiell kein Gegner von Steuerfinanzierung, denn bei der Krankenversorgung handelt es sich um eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Aber es ist wichtig, darauf zu schauen, wer durch das Steuersystem begünstigt und wer dadurch benachteiligt wird. Ich sehe außerdem das Problem, dass im Gesundheitswesen Politik nach Kassenlage gemacht wird.

Können Sie ein Gesundheitssystem empfehlen, von dem wir hier in Deutschland lernen können?

Ein Modell, das ich empfehlen könnte, gibt es nicht. Grundsätzlich können Gesundheitssysteme nicht wie Spielbälle ausprobiert werden. Sie sind historisch und kulturell stark verankert und werden im Zusammenhang mit dramatischen gesellschaftlichen Ereignissen eingeführt oder verändert. Die Versorgung kranker Menschen hat sich am medizinischen Bedarf zu orientieren: Es muss einen freien Zugang für alle geben, eine Pflichtversicherung, und eine solidarische Finanzierung aus Steuern oder Beiträgen. Das sind Elemente, die anzustreben sind.