Vorgestellt

Der Russisch-orthodoxe Friedhof in Tegel (Wittestraße)

Es ist laut auf dem Friedhof an der Wittestraße in Tegel. Zu hören sind vor allem die Motoren der Autos, die unmittelbar hinter der Friedhofsmauer über die A111 donnern und das Scheppern und Krachen von der nahen Baustelle. Innere Ruhe finden und im stillen Gedenken der Toten erinnern, die hier begraben sind - wie soll das bei diesem Lärm  funktionieren?

Während ich mit meinem Mann über die leeren Wege zwischen alten und neuen Gräbern laufe, versuche ich, den Lärm um uns herum auszublenden. Auf diesem Friedhof liegen die Toten aus 127 Jahren deutsch-russischer Geschichte in Berlin. Mir gehen die Schicksale und Leben vor allem der Menschen durch den Kopf, die hier als Opfer des deutschen Vernichtungskriegs liegen. Es sind die Kinder sowjetischer Zwangsarbeiterinnen und Angehörige der Roten Armee, die im Kampf um Berlin gefallen sind. Auch hier gibt es ein Grab des unbekannten Soldaten, das für die 78.000 sowjetischen Soldaten steht, die im Kampf um Berlin gefallen sind.

Ich bin froh, dass mein Mann dabei ist, der mir als „gelernter Dresdner“ die kyrillischen Inschriften übersetzen kann. Trotz meiner russischen Wurzeln spreche ich leider kein Russisch – meine Babuschka durfte in Franken, wo sie mit ihrem Mann und ihrer Tochter – meiner Mutter – lebte, kein Russisch zu Hause sprechen. So lernte es meine Mutter nicht und konnte es auch nicht an mich, ihre Tochter, weitergeben. „Die Russen“ waren im Rheinland, wo ich ich aufwuchs, verpönt, vor „den Russen“ hatten sie Angst und der Beitrag der Roten Armee zur Beendigung des zweiten Weltkriegs und der Befreiung vom Nationalsozialismus, wurde lieber totgeschwiegen.

Vielleicht liegt auch der Bruder meiner Babuschka in einem solchen Grab für unbekannte Rotarmisten oder ermordete Zwangsarbeiter. Vielleicht gibt es jemanden, der am 8. Mai auch an seinem Grab steht und ein paar Minuten innehält.

Video

DIE LINKE gedenkt der gefallenen Sowjetsoldaten und der Zwangsarbeiterkinder am 8. Mai um 10.00 Uhr gemeinsam mit der VVN BdA (Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes und Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten).

Kai