Offenes Forum

Angela Merkel – eine pragmatische Politikerin ohne Prinzipien?

Versuch einer Bilanz ihrer Regierungszeit.

Die Kanzlerschaft Angela Merkels geht nach 16 Jahren zu Ende. Damit Mann/Frau rückblickend Merkels Positionen und Errungenschaften einschätzen kann, versuchte das Forum sich an einem differenzierten Bild der Regierungsjahre Angela Merkels.

Michael Rohr hatte einige oft geäußerte Behauptungen zusammengestellt und dazu recherchiert, um anhand von Tatsachen die Politik der durch Merkel geführten Regierung sichtbar zu machen.

Behauptung: Angela Merkel ist eine pragmatische Politikerin ohne Ideologie.

Nach Einschätzung der Anwesenden könnte Merkels Hintergrund zum einen durch die christlichen Werte ihres Elternhauses, zum anderen durch ihre Mitgliedschaft in der FDJ geprägt sein. Es lassen sich aber keinerlei Belege dafür finden, dass sie der marxistischen/sozialistischen Ideologie folgte. Vieles spricht dafür, dass ihre Politik konsequent die Interessen der deutschen Wirtschaft unterstützte, also neoliberale und marktradikale Ansätze unterstützte: Auf dem CDU-Parteitag 2003 verabschiedete die Partei unter der Führung von Merkel, damals noch in der Opposition, das marktradikalste Programm ihrer Parteigeschichte. Es beinhaltete u.a. ein Stufensteuersystem und eine Erhöhung der Mehrwertsteuer, eine kapitalgedeckte Rente und die Anhebung des Renteneintrittsalters auf 67 Jahre sowie eine Kopfpauschale in der gesetzlichen Krankenversicherung.

Dabei hatte die bis 2005 rot-grüne, SPD-geführte Regierung mit Schröders Reformpolitik „Agenda 2010“ bereits die Weichen für einen massiven Sozialabbau gestellt. Sie folgte dem neoliberalen Dogma, wonach die Wirtschaft wachse, wenn Löhne gedrückt und Sozialleistungen abgebaut werden. Festmachen lässt sich das an Steuersenkungen für Unternehmen und dem Abbau von Leistungen in den Bereichen Gesundheit, Rente und Arbeitslosengeld/Sozialhilfe. Diese Reformen führten zu dem Arbeitsmarkt, den viele heute täglich erfahren: zu Leiharbeit, befristeten Arbeitsverhältnissen, prekärer Arbeit und einem Niedriglohnsektor, sowie in der Folge zu steigender Armut und Altersarmut.

Angela Merkel hatte hier also nur die Aufgabe, diese Entwicklungen fortzuführen, d.h. dafür zu sorgen, dass „alles so bleibt, wie es ist“. Man kann es daher durchaus als pragmatisch bezeichnen, dass sie zum Zweck des Machterhalts Krisen umschiffte und Reformansätze vermied und verzögerte.

Behauptung: Merkel hat die Sozialdemokratisierung der CDU vorangetrieben.

Es lässt sich feststellen, dass die Mehrheit der wählenden Bevölkerung und damit auch die Parteien immer mehr zu einer politischen Mitte hintendieren. Die CDU hat sich zwar von einer rechten zu einer Partei der Mitte entwickelt, aber nicht hin zu sozialdemokratischen Ansätzen.

Behauptung: Angela Merkel hat durch die Aufnahme der Flüchtlinge 2015 die AfD groß gemacht.

Aufs Wesentliche reduziert lässt sich die AfD am besten verstehen als eine Bewegung der Abrechnung für 20 Jahre Nach-Wendepolitik, in der sich der Osten Deutschlands abgehängt und nicht repräsentiert sieht. Dass Schwache dabei gegen noch Schwächere Stimmung machen und darin von einem Teil der Medien bestärkt werden, anstatt gemeinsam gegen soziale Ungerechtigkeit vorzugehen, ist leider eine Tatsache.

Bezogen auf die deutsche Politik in Flüchtlings- und Migrationsfragen stellt sich die Frage, ob zusätzlich zur Aufnahme von Flüchtlingen nicht eine größere finanzielle Unterstützung des Flüchtlingshilfswerks der Vereinten Nationen (UNHCR) erforderlich ist. Das UNHCR ist regelmäßig etwa zu 50% unterfinanziert, während die Zahl der Menschen, die durch Krisen, Naturkatastrophen und Krieg weltweit auf der Flucht sind, sich im letzten Jahrzehnt verdoppelt hat.

Behauptung: Angela Merkel kämpft ernsthaft gegen die Klimakatastrophe.

Die Tatsachen sprechen für das Gegenteil. Die Unionsparteien schützten vorzugsweise die Wirtschaft der Industrienation Deutschland zu Lasten der Ziele des Pariser Klimaabkommens. Z.B. verschleppte Wirtschafts- und Energieminister Peter Altmaier den Ausbau der Erneuerbaren Energien, und Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner unterstützte die Massentierhaltung.

Behauptung: Angela Merkel ist eine Vorkämpferin für Frauen- und LGBTI-Rechte

Auch hier setzte sich Merkel eher für die Interessen der Wirtschaft ein, die weitere Arbeitskräfte vor allem im Billiglohnsektor brauchte. Dagegen gab es keine Ansätze, die existierenden Gehaltsunterschiede zwischen Männern und Frauen zu beseitigen oder mehr Frauen den Aufstieg in Führungspositionen zu ermöglichen. Und die Unterstützung der LGBTI-Community? Die Ehe für Alle war eine Forderung, die gesellschaftlich breit unterstützt wurde und von wenig Interesse für die Wirtschaft war – also konnte hier durch Zustimmung ein gewisses progressives Image erreicht werden, ohne Schaden anzurichten.

Fazit:

Für eine vollständige Analyse reichten die gut zwei Stunden Offenes Forum nicht aus. Allen, die sich weiter informieren möchten, seien die Bücher von Stephan Hebel empfohlen: „Mutter Blamage - Warum die Nation Angela Merkel und ihre Politik nicht braucht“ (westendverlag, 2013) und „Merkel: Bilanz und Ende einer Kanzlerschaft“ (westendverlag, 2019).