Warum soll ich mich für Tempelhof interessieren?

von Peter-Rudolf Zotl (MdA)

Am 27. April 2008 wird per Volksentscheid entschieden, ob der Senat aufgefordert werden soll, den für Herbst 2008 ausgesprochenen Schließungsbeschluss für den Flughafen Tempelhof zurückzunehmen. Oft wird in diesem Zusammenhang gefragt, was denn uns in den Außenbezirken der Stadt Tempelhof zu interessieren habe. Und manche leiten daraus ab, dass sie an dem Volksentscheid aus Desinteresse nicht teilnehmen werden.

Es geht um die Mitte unser aller Stadt.

Es geht um unser aller Sicherheit.

Es geht um unser aller Geld.

Es geht um unser aller Lebensqualität.

Es geht um unser aller Zukunft.

Weil wir auf unsere Zukunft nicht endlos warten können.

Weil wir eine einheitliche Stadt sind.

Nur wer hingeht, entscheidet.



Es geht um die Mitte unser aller Stadt.

Der Flughafen Tempelhof umfasst eine Fläche von etwa 360 ha. Mitten im Zentrum unserer Stadt ist also so eine riesige Fläche für ihre Bewohnerinnen und Bewohner sowie für unsere Gäste gesperrt. Und je weniger Flugbewegungen von Tempelhof ausgehen, für desto weniger Menschen werden die 360 ha freigehalten. Nach einer Schließung des Flugbetriebes wird das Tempelhofer Feld wieder für alle offen sein. Nach jetzigen Vorstellungen werden etwa 200 ha für Freizeit, Sport, Erholung und Naturschutz genutzt, und der Rest könnte für ökologischen Wohnungsbau, für ökologisch produzierendes Gewerbe sowie für ein weltweit einzigartiges Museum zur Geschichte der Luftfahrt zur Verfügung stehen. So wird Tempelhof öffentliches Zentrum und behält zugleich seine wichtige Funktion als innerstädtische Frischluftschleuse.


Es geht um unser aller Sicherheit.

Überall in der Welt werden innerstädtische Flughäfen zugunsten solcher Einrichtungen, die weit entfernt von den Wohnsiedlungen sind, aufgelöst. Es ist eine grundsätzliche Frage der Sicherheit, der Lebensqualität und des Umweltschutzes, die überall gegen Flughäfen direkt über den innenstädtischen Ballungsräumen spricht. Selbst das immer wieder ins Feld geführte Beispiel Londons zeigt bei genauem Hinsehen, dass dessen „innerstädtischer“ Flughafen wesentlich weiter von den innerstädtischen Siedlungskernen entfernt liegt als in Berlin der Flughafen Schönefeld vom Berliner Stadtzentrum entfernt ist. Geschweige denn Tempelhof.


Es geht um unser aller Geld.

Tempelhof ist schon lange ein Millionengrab, und selbst bei einer privaten Nutzung müssen die Flugsicherung und umweltschützende Maßnahmen aus der öffentlichen Hand finanziert werden, weil es sich um öffentliche Aufgaben handelt. Schönefeld hingegen bringt 40.000 neue Arbeitsplätze und damit wichtige Steuereinnahmen in die öffentlichen Kassen, die wir alle bitter nötig haben. Wir brauchen keine weiteren Ausgaben, sondern mehr Einnahmen.


Es geht um unser aller Lebensqualität.

Sollte Tempelhof rentabel werden, dann müssten dort täglich in der Zeit zwischen 6 und 22 Uhr alle fünf bis sechs Minuten ein Start oder eine Landung erfolgen. Mitten über den am dichtesten besiedelten Wohngegenden unserer Stadt. Die Luftverschmutzung würde unerträglich werden, und die Sicherheitsrisiken stiegen ins Unermessliche. Und mit der Frischluft, die jetzt noch über das riesige Tempelhofer Feld zugeführt wird, wäre es vorbei.


Es geht um unser aller Zukunft.

Würde man heute eine Betriebserlaubnis für den Flughafen Tempelhof beantragen, bekäme man sie nirgends auf der Welt, weil das Risiko viel zu hoch wäre. Es ist aber für die Metropole Berlin eine grundlegende Zukunftsfrage, ob und dass man von Berlin – ohne den Flughafen wechseln zu müssen – an alle wichtigen Orte dieser Welt möglichst in Direktverbindung gelangen kann. Auch aus dieser Sicht ist Tempelhof weder Zukunftsgarant noch Standortfaktor. Hingegen ist der Flughafen Berlin Brandenburg International (BBI) eine entscheidende Zukunftsoption für Berlin. Und ein weiterer Standortvorteil ist, dass man über die neue Autobahn bzw. mit der neuen S-Bahn schnell und sicher ins Zentrum der Stadt kommt.


Weil wir auf unsere Zukunft nicht endlos warten können.

Das Flughafenprojekt Schönefeld war Gegenstand vieler Klagen, mit denen Einwohnerinnen und Einwohner, aber auch einzelne Fluggesellschaften vor Gericht gezogen sind. Jetzt sind letztinstanzlich alle gerichtlichen Entscheidungen getroffen. Ihr gemeinsamer Kern besteht darin, dass es rechtens und gerechtfertigt ist, den Großflughafen BBI als Singleflughafen zu bauen und die zeitlich gestaffelte Schließung von Tempelhof und Tegel vorzunehmen. Damit ist der „Konsensbeschluss“ aus der Mitte der neunziger Jahre, der den Bau des BBI ebenso festlegt wie die stufenweise Schließung von Tempelhof und Tegel, gerichtsfest. Dieser Beschluss war von drei Partnern gleichberechtigt gefasst worden: dem Bund sowie den Ländern Berlin und Brandenburg. Einseitige Entscheidungen, diesen Konsensbeschluss aufzukündigen und z.B. Tempelhof offen zu halten, würden die Kernsubstanz der gerichtlichen Entscheidungen hinfällig machen, neue Gerichtsverfahren nach sich ziehen und die Fertigstellung des Zukunftsprojektes BBI Schönefeld um weitere Jahre verzögern, wenn nicht gar verhindern.


Weil wir eine einheitliche Stadt sind.

Die langjährige Nutzung von Tempelhof und der spätere Bau von Tegel, aber auch der Aufbau des ehemaligen Zentralflughafens Schönefeld waren erforderlich geworden, weil Berlin eine geteilte Stadt war. Jetzt aber sind wir eine Stadt, jetzt haben wir die Chance, die Stadt in unser aller Interesse als Ganzes zu planen und weiterzuentwickeln – das betrifft das Tempelhofer Feld ebenso wie den Großflughafen BBI.


Nur wer hingeht, entscheidet.

Im Material der Tempelhof-Befürworter, das wir mit der Abstimmungsbenachrichtigung bekommen haben, wird gesagt, dass wer nicht teilnimmt, mit Nein stimmt. Manche, die gegen den Weiterbetrieb von Tempelhof sind, schließen daraus, dass sie gar nicht abstimmen müssten, weil ihre Nichtteilnahme ohnehin als Nein gewertet werden würde. Das stimmt nicht. Über Ja oder Nein entscheidet nur, wer hingeht. Und mehr Nein-Stimmen als Ja-Stimmen – und allein solches Ergebnis wäre ein Sieg der Vernunft – bekommen wir nur, wenn alle ihre Neinstimme auch abgeben.