»Nachnutzung und urbane sozial-ökologische Gesamtsicht«

kommunalpolitische Themen • Flughafen Tegel

2. Landesausschuss • 2. Tagung                                

Antrag 4                    

14.5.2010          

Einreicher/innen:

Andreas Schlüter, Jürgen Schimrock, Thomas Hinrichsen und Ralf Körber (Mitglieder Kompetenzteam Nachnutzung THF), Bezirksvorstand DIE LINKE Reinickendorf, Bezirksvorstand DIE LINKE Tempelhof-Schöneberg 

Wortlaut des Antrags

Der Landesausschuss möge beschließen:

DIE LINKE Berlin: »Nachnutzung und urbane sozial-ökologische Gesamtsicht«

Das Kompetenzteam Nachnutzung der Berliner Flughäfen wird beauftragt, für den Landesparteitag eine Beschlussvorlage zu erarbeiten, die folgende Zielvorgaben erfüllt – auch im Hinblick auf den Kommunalwahlkampf 2011:

  1. Die Vorschläge der LINKEN Berlin zur Nachnutzung Flughäfen Tempelhof und Tegel werden im Kompetenzteam inhaltlich noch einmal diskutiert, abgestimmt und öffentlichkeitswirksam zusammengestellt.
    Besonderer Augenmerk soll auf die ökologischen und klima- und energiepolitischen Belange Berlins und die Berücksichtigung der Interessen der Bürgerinnen und Bürger gelegt werden. Angestrebt wird die Erstellung eines Flyers, der eine kurze Darstellung der Vorschläge enthält.
  2. Der bereits in der Öffentlichkeit diskutierte Vorschlag, die Nachnutzung der Flughäfengelände Tempelhof und Tegel teilweise mit der Forschung, Entwicklung und ggf. Produktion von Elektromobilität zu verbinden, soll durch DIE LINKE Berlin aufgegriffen und unterstützt werden.
  3. DIE LINKE Berlin sieht u.a. ihren spezifischen Beitrag in der Unterbreitung von Vorschlägen, wie ein integrierter, ökologischer und sozialer ÖPNV auf nicht-fossiler Basis mit dem Konzept der Elektromobilität in urbanem Umfeld verbunden werden kann.

Zur inhaltlichen Vorbereitung wird für den Spätsommer 2010 eine Zusammenkunft von Mitgliedern des Kompetenzteams bzw. der angesprochenen Bezirke, der LAG Umwelt, der IG Nahverkehr, des Landesvorstandes, der Linksfraktion, dem/der zuständigen Senatorin oder deren Vertreter/in vorbereitet. Zu prüfen bzw. abzustimmen ist, ob darüber hinaus partei-externer Sachverstand hinzugezogen werden kann und soll.

Die personellen Verantwortlichkeiten werden zeitnah in den angesprochenen Gremien festgelegt und dem Landesverband mitgeteilt.

Begründung:

Allgemein:

Alle in der Diskussion  befindlichen Pläne für die Nachnutzung Tempelhofs  hinsichtlich einer Veräußerung von Teilen des Geländes und einer Bebauung stammen aus der Zeit vor den krisenhaften ökonomischen Entwicklungen.
Bei diesen Plänen sind auch demografische und sozialpolitische sowie klimapolitische Entwicklungen weitgehend unberücksichtigt geblieben. Es steht der LINKEn in Berlin gut an, diese Entwicklungen aufzugreifen und zum Anlass zu nehmen, eine Gesamtsicht zu entwickeln, die insbesondere zum Ziel hat, spekulative, marktorientierte Tendenzen zu hinterfragen, ggf. zu unterbinden und sozial-ökologische Belange in den Vordergrund zu stellen.
Das Zusammenführen von fachlicher Beschäftigung seitens des Kompetenzteams mit den Entscheidungsträgern in der Partei und der Fraktion muss intensiviert werden und eine vertrauensfördernde Zusammenarbeit gestärkt werden. Auf dieser Grundlage können eine wirksame Öffentlichkeitsarbeit und eine sich auf das Gemeinwohl stützende Mobilisierung stattfinden. Die Bündelung der Kräfte ist für die Landeswahl 2011 von herausragender Bedeutung.

Im Besonderen:

Das Kompetenzteam zur Nachnutzungsdebatte Berliner Flughäfen hat bislang auf der Grundlage eines Beschlusses des 1. Landesparteitages, 2. Tagung vom 26. April 2008 gearbeitet:
»... Wir wollen in den kommenden Wochen und Monaten die Schließung des Flughafens Tegel vorbereiten, die nach dem Konsensbeschluss mit der Eröffnung von BBI fällig ist und dazu den Dialog mit Bürgerinitiativen und Umweltverbänden beginnen. Dazu wollen wir die guten Erfahrungen aus dem »Bündnis für ein flugfreies Tempelhof« nutzen.
Der Landesvorstand und die Fraktion DIE LINKE im Abgeordnetenhaus werden dafür in Zusammenarbeit mit den Bezirksverbänden Reinickendorf, Spandau, Pankow,  Neukölln und Tempelhof-Schöneberg ein Kompetenzteam bilden, das beide Debatten begleitet und in den Landesverband kommuniziert. Der Landesparteitag erwartet, dass diese Debatte als Aufgabe durch den gesamten Landesverband angenommen wird.
Thema des Kompetenzteams soll auch die Beobachtung der Entwicklung in den angrenzenden Wohngebieten des Flughafens in Neukölln und Tempelhof sein. Die Befürchtungen vieler Anwohner/innen, dass Mieten explodieren, wollen wir ernst nehmen und auf Bezirks- und Landesebene alle Möglichkeiten ausschöpfen, einer solchen Entwicklung entgegenzuwirken.
Der Landesparteitag erwartet, dass der Landesvorstand und die Bezirksverbände Tempelhof-Schöneberg und Neukölln beim anstehenden Tag der offenen Tür am Flughafen Präsenz für DIE LINKE. Berlin zeigen.«

Das Kompetenzteam braucht eine neue Arbeitsgrundlage.

Das Wichtigste zuerst:
Wir meinen, dass die bisherigen Erfahrungen des Zusammenwirkens von Landesvorstand und Linksfraktion mit dem Kompetenzteam gründlich ausgewertet werden müssen. Das Kompetenzteam versteht sich als eine Arbeitsgruppe, die den Entscheidungsträgern in der Partei Vorschläge unterbreitet und diese in den Landesverband kommuniziert. Das setzt voraus, dass die Arbeit des Kompetenzteams überhaupt gebraucht wird. Eine solche Arbeitsgruppe benötigt in den zuständigen Gremien Partner, die die Arbeitsergebnisse nutzen wollen. Den Eindruck hatten wir nur sehr selten.

Zu keiner Zeit war die Debatte über die Nachnutzung der Flughäfen als eine zentrale Aufgabe der Stadtentwicklungsstrategie für Berlin eine Sache des gesamten Landesverbandes; die meisten  Bezirksverbände erkannten offenbar diese Aufgabe nicht.

Dazu eine Überlegung, die ein gewisses Umdenken erfordert:
Wir halten es für machbar und erstrebenswert, dass es möglich wird, ggf. nach Absprache bestimmte politische Themenbereiche in den Bereich der sog. Parteibasis zu »verlagern». Dies soll und kann nicht ohne regelmäßige Rückkoppelung geschehen. Notwendig ist aber, eine gegenseitige Vertrauensbasis zu schaffen, die dem Anspruch der LINKEn hinsichtlich eines gemeinsamen solidarischen Agierens gerecht wird.

Wie ist nun der Stand der Dinge bezüglich der Nachnutzungsdebatte(n)?

Seitens der beteiligten Bezirksverbände wurden sowohl öffentliche als auch parteiinterne Diskussionsangebote unterbreitet, Nachnutzungsvorschläge für THF und TXL in die Öffentlichkeit gebracht.
Am 8. Mai wurde das ehemalige Flughafengelände Tempelhof nunmehr der öffentlichen Nutzung zugänglich gemacht. Die Linksfraktion und die Bezirksverbände Neukölln und Tempelhof-Schöneberg waren inhaltlich und personell gut vertreten.
Der Beschluss des Landesausschusses bezüglich eines zehnjährigen Bebauungsmoratoriums hat nach wie vor Bestand. Nachnutzungsvorschläge werden bereits umgesetzt bzw. liegen auf dem Tisch.
Die Nachnutzungsdebatte zu TXL ist seit November 2008 im Gang. Hier wurde seitens SenStadt vieles, im Unterschied zu THF, besser bzw. richtig gemacht. Die LINKE Reinickendorf hat rechtzeitig Vorschläge unterbreitet, diese im Kompetenzteam diskutiert und mit Unterstützung des Landesvorstandes öffentlich gemacht. Im Vergleich zu CDU, SPD, IHK verfügt DIE LINKE Berlin aber bisher über kein abgestimmtes konkretes, vorzeigbares Konzept.
Die  Vorschläge der Parteien zeigen zum Teil breite Übereinstimmungen. Konsens für THF und TXL scheint zu sein, dass u. a. das Thema e-Mobilität eine wesentliche Rolle für eine innovative sowie gewerbliche Nachnutzung spielen soll. Insbesondere die Entwicklung von Elektromotoren für Automobile wird ins Auge gefasst. Im Konjunkturpaket II sind auf Bundesebene 500 Mio. Euro Förderung für Forschung und Entwicklung Elektromotoren vorgesehen, weitere 2 Mrd. bis zum Ende der Legislaturperiode sind geplant.
Alles deutet allerdings darauf hin, dass unter Auto-Mobilität seitens Bundesregierung, Industrie (»Roadmap für Elektromobilität«), Wirtschaftsverbänden, CDU und FDP ausschließlich die Orientierung auf Individualverkehr verstanden wird. Der Gipfel der Kanzlerin zur Elektromobilität am 3.5.2010 mit dem Ziel einer »Nationalen Plattform Elektromobilität« gibt dazu deutliche Hinweise.
Wir sind überzeugt, dass es u.a. Aufgabe der LINKEN sein muss, dieser Entwicklung eine andere, ökologisch ausgerichtete Wendung zu geben. Diese sollte darin zu sehen sein, eine politische und ökonomische Zielrichtung zu entwickeln, die auch beim Thema Elektromobilität dem Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) einen deutlichen Vorrang gegenüber dem Motorisierten Individualverkehr (MIV) eingeräumt wird.

Der Beschluss der 3. Tagung des 2. Landesparteitages vom 28. November 2009 gibt die Richtung vor:
»Zugleich wird es die Aufgabe der LINKEN sein, den Zusammenhang von Umweltbelastungen, gesundheitlichen Beeinträchtigungen und sozialen Benachteiligungen zu verdeutlichen und Vorschläge zu unterbreiten, die allen und nicht nur jenen, die es sich leisten können, ein gesünderes und besseres Leben ermöglichen.
Wir sehen u.a. ein mit dem Berliner Umland abgestimmtes, integriertes, ökologisches und soziales Verkehrskonzept als einen Schritt in die richtige Richtung. Das Konzept könnte den Um- und besonders den Ausbau des ÖPNV zu einem attraktiven nicht-fossil betriebenen Verkehrssystem beinhalten.
Wir setzen uns dafür ein, Berlin als energie- und klimapolitisches Vorbild weiter zu entwickeln. Dies gilt gleichermaßen für Forschung, Industrieansiedlung, Infrastruktur und Flächenplanung. Die öffentliche Debatte um die Nachnutzungskonzepte für die Flughäfen Tempelhof und Tegel bietet hierfür vielfältige und innovative Anknüpfungspunkte. Die LINKE wird die Planungsdebatte um die Nachnutzung der Flughäfen  kritisch und mit eigenen Vorschlägen begleiten.»
Dem Beschluss müssen u.E. nun konkrete, auch personell und inhaltlich verbindlich untersetzte Schritte folgen. Das Thema »Sozial-ökologischer Umbau« der Stadt kann und sollte zu den herausragenden Themen im Wahlkampf 2011 gehören. Elektromobilität, verstanden als umweltverträgliches öffentliches Verkehrsangebot an der Berlinerinnen und Berliner, muss Bestandteil unseres politischen Angebots sein.
Diese Perspektive wäre auch direkt mit den Vorschlägen »Energie 2020 - die Berliner Linie« von Wirtschaftssenator Harald Wolf in Einklang zu bringen, wenn es darum geht, stadtweit (unter Einbeziehung des Umlandes) Elektrotankstellen vorzuhalten.

Und nicht zuletzt: Diese Zielvorgaben würden den Aussagen im Entwurf des Parteiprogramms gerecht werden:
»DIE LINKE sieht den sozial-ökologischen Umbau in Deutschland und Europa als eines ihrer entscheidenden Ziele und als wesentliche Querschnittsaufgabe in allen Politikbereichen an. Sie will, dass die Produktion von Gütern und Dienstleistungen nicht mehr den Profit als oberste Maxime hat, sondern an sozial-ökologischen Zielen ausgerichtet wird. Für eine sozial und ökologisch nachhaltige Entwicklung kommt der drastischen Reduzierung von Stoff- und Energieumsätzen in Deutschland absolute Priorität zu...
DIE LINKE setzt sich dafür ein, ohne jede Vorbedingungen bis zum Jahr 2020 die Treibhausgas-Emissionen in Deutschland gegenüber 1990 zu halbieren und auf ihre Senkung um 90 Prozent bis Mitte des Jahrhunderts hinzuwirken...
Wir wollen die Energiekonzerne in öffentliches Eigentum überführen und einer demokratischen Kontrolle unterstellen...
Mittelfristig muss der gesamte Energiebedarf aus regenerativen Quellen gedeckt werden...

Regionale Wirtschaftskreisläufe und Verkehrswende

Die Wirtschafts-, Wissenschafts- und Technologiepolitik, die Struktur- und Regionalpolitik sowie die Verkehrspolitik wollen wir auf den ökologischen Umbau von Wirtschaft und Gesellschaft orientieren. Der Aufbau regionaler Wirtschaftskreisläufe mit minimiertem Material- und Energieverbrauch ist ein wichtiger Weg aus Umweltzerstörung und Unterentwicklung. Der Öffentliche Personennah- und -fernverkehr muss ausgebaut, und der Nahverkehr soll mittelfristig für die Nutzer kostenfrei werden. Der Güterverkehr ist im Zuge des sozial-ökologischen Umbaus zu reduzieren und so weit wie möglich auf Schiffe und die Schiene umzustellen. Der Flugverkehr ist einzuschränken, vor allem im innerdeutschen und innereuropäischen Verkehr. Es steht ein sozial-ökologischer Umbau der Städte an.«