Brief des Bezirksvorstands an den Landesvorstand der LINKEN Berlin und an die Linksfraktion im Abgeordnetenhaus

kommunalpolitische Themen • Flughafen Tegel

Vorbereitung des Forums zur Nachnutzung des Flughafen Tegel am 16.3.09

Liebe Mitglieder des Landesvorstandes,
liebe Mitglieder der Linksfraktion im Berliner Abgeordnetenhaus,

Die Debatte um die Nachnutzung Tempelhofs ist noch in vollem Gange, da entwickelt sich die Nachnutzung des Flughafens Tegel wie erwartet zu einem neuen Feld der politischen Auseinandersetzungen in der Stadt. Die kürzlichen Äußerungen Diepgens, Wanjuras zeigen unseres Erachtens deutlich: Für manche Kräfte des alten West-Berlin war Tempelhof nur der Test für Tegel. Sie versuchen erneut, verlorenen Einfluss auf Entscheidungen über die Zukunft der Stadt zurück zu gewinnen.

Wie ist unser Landesverband darauf vorbereitet?

Der 1. Landesparteitag hat auf seiner 2. Tagung am 26.4.2008 die Aufgabe gestellt, die Nachnutzungsdebatte für Tempelhof und Tegel zu führen, den Landesvorstand und die Fraktion beauftragt, in Zusammenarbeit mit den betroffenen Bezirksverbänden ein Kompetenzteam zu bilden, das die Debatte begleiten und in den Landesverband kommunizieren soll. Konkret heißt es: „Der Landesparteitag erwartet, dass diese Debatte als Aufgabe durch den gesamten Landesverband angenommen wird.“

Ein Jahr nach dem Beschluss halten wir es für an der Zeit, dass Landesvorstand und Fraktion eine Zwischenbilanz ziehen und einschätzen, wie das gelungen ist.

Der Bericht des Landesvorstandes an den 2. Landesparteitag weist auf die Bildung des Kompetenzteams Berliner Flughäfen hin und kündigt an, „stadtpolitische Themen langfristig und in der Breite der Partei vor(zubereiten)“.

Unser Eindruck ist: Diese Aufgabe wird bei unseren Fachpolitikern in der Fraktion, aber auch in betroffenen LAGs in das Kompetenzteam „abgeschoben“. Tempelhof nimmt alle Aufmerksamkeit in Anspruch; Tegel – so wird argumentiert – hätte noch Zeit. Diese Position entspricht unseres Erachtens nicht den Anforderungen.

Auf die Erfahrungen der Tempelhof-Kampagne verweisend, hält der Landesparteitagsbeschluss die Aufgabe fest, „in den kommenden Wochen und Monaten die Schließung des Flughafens Tegel vor(zu)bereiten, die nach dem Konsensbeschluss mit der Eröffnung von BBI fällig ist, und dazu den Dialog mit Bürgerinitiativen und Umweltverbänden (zu)beginnen...“.

Wir meinen: Das Kompetenzteam braucht die qualifizierte Mitwirkung der Fachpolitiker und die Unterstützung der Bezirke. Die Aufgaben des Kompetenzteams sollten in folgender Richtung präzisiert werden:

  • kritische Begleitung des Vorgehens des Senates,

  • Gewinnung externer Kompetenz,

  • Erarbeitung eigener Nachnutzungsvorschläge,

  • Teilnahme an der öffentlichen Debatte,

  • Gewährleistung einer transparenten und demokratischen Beschlusslage auf allen relevanten Entscheidungsebenen

Vielleicht kann auch der Name geändert und den realen Voraussetzungen angepasst werden (Vorschlag: Arbeitskreis).

Der Bezirksvorstand der LINKEN Reinickendorf hat am 4.2.2009 dem Kompetenzteam ein Diskussionspapier mit Vorschlägen zur Nachnutzung des Flughafengeländes Tegel unterbreitet. Diese stehen unter dem Motto: „Nachhaltig agieren und sozial-ökologisches Denken fördern – der klima- und energiepolitischen Verantwortung gerecht werden. In die Vorschläge sind Überlegungen aus der Reinickendorfer Bürgerinitiative gegen das Luftkreuz und einer Beratung mit dem Berliner Landesvorsitzenden von NABU eingeflossen. Das Kompetenzteam hat unsere Vorschläge unterstützt.

Am 23.2.2009 war unser Papier Gegenstand einer intensiven Diskussionsrunde mit Senatorin Katrin Lompscher, Stellvertretende Landesvorsitzende, und Guido Brendgens, Mitarbeiter der Fraktion, für die wir uns nochmals herzlich bedanken.

Aus der Debatte mit Katrin und Guido möchten wir folgende Gedanken und Anregungen festhalten:

  • Das Wichtigste: Neben BBI und Tempelhof sollten Nachnutzungsüberlegungen bzgl. TXL (NN-TXL) ein stadtplanerischer und umweltpolitischer Schwerpunkt der LINKEN Berlin werden. Sie können schon in den Bundestagswahlkampf einbezogen werden, werden ganz sicher für die Abgeordnetenhauswahlen wichtig sein.

  • Eine Beschlusslage auf Landesparteitags- oder Landesausschussebene bzgl. NN-TXL kann und sollte erst hergestellt werden, wenn mehrheitsfähige und öffentlichkeitswirksame Vorschläge vorliegen.

  • Die LINKE kann und sollte heute noch kein “eigenes” endgültiges Nachnutzungsziel definieren, aber sie sollte Anforderungen an eine NN-TXL formulieren, die die grundlegende Richtung unserer Überlegungen zeigen.

  • Der Bezirksvorstand Reinickendorf hält die Vorschläge von Prof. v. Gerkan auf der 1. Standortkonferenz der Senatsverwaltung für Stadtententwicklung für solch eine prinzipielle Denkrichtung. “Sustainable City”, d. h. das Prinzip der nachhaltigen Stadt- und Standortentwicklung als Grundlage für die Erarbeitung von Nachnutzungsideen muss aus unserer Sicht Grundlage jeder Planung auch für Tegel sein. Der bereits fortschreitende Klimawandel löst größten Handlungsbedarf auch auf kommunaler Ebene aus, der die LINKE in Regierungsverantwortung um so mehr fordert.

Die Städte spielen die Hauptrolle bei der Klimaveränderung und sind zugleich die am stärksten davon betroffenen Regionen ... Eine nachhaltige Entwicklung unserer Welt ist ohne nachhaltige Entwicklung der Städte nicht möglich.” (Prof. Gerkan)

Was sollten wir wollen, welche Kriterien sollten Grundlage unserer Vorschläge sein? Wofür sprechen wir uns aus?

  • Die Vorschläge von Prof. v. Gerkan sind zu konkretisieren und auf ihre Umsetzbarkeit prüfen, jede NN-TXL muss höchsten ökologischen Anforderungen genügen ,

  • die sozialen Folgen einer NN-TXL sind zu bedenken,

  • eine ersatzlose Abwanderung von Gewerbe (Arbeitsplätze/Wirtschaftsstandorte) ist zu verhindern,

  • der Erforschung bzw. (Weiter-)Entwicklung erneuerbarer Energieerzeugung, -weiterleitung, –speicherung und –effizienz und/oder Entwicklung von Plus-Energie-Bauten sollte, in Verbindung mit der Erarbeitung eines langfristigen Energieversorgungskonzeptes (Energiemix, öffentliche Trägerschaft?), seitens der LINKEN Berlin Priorität eingeräumt werden,

  • es ist zu prüfen, ob Windkraftnutzung, (ggf. in Ergänzung von Energiegewinnung aus Solaranlagen und Biomasse) die Energieversorgung des Areals sichern kann,

  • es ist zu prüfen, ob durch die o. g. Energiegewinnungsmaßnahmen darüber hinaus ein Beitrag zum zukünftigen öffentlichen Energiebedarf (Ausschreibung für den Strombezug des Landes Berlin im Jahre 2012, Energieautonomie für die Stadt bis 2030 oder 2040) geleistet werden kann,

  • eine umweltgerechte öffentliche Verkehrsanbindung (d. h. Straßenbahn oder ganz anders?) ist zu planen,

  • die Frischluftschneise darf nicht gefährdet werden, eine teilweise Renaturierung, auch als “Pufferzone”zum ggf. gewerblich genutzten Gebiet, muss Bestandteil jeder Planung sein,

  • die angrenzenden Kleingärtenanlagen dürfen in ihrem Bestand nicht gefährdet werden,

  • die frühzeitige Einbeziehung bezirklicher Akteure und der Einwohner in Ideenfindung und Planung ist zu gewährleisten,

  • die Vorteile (Gesundheit, Umweltschutz, Sicherheit u. a.) der Schließung von TXL (nicht nur) für die unmittelbaren Anwohner müssen in den Vordergrund der Debatte gerückt werden.

Eine Konkurrenzsituation zu den Planungen für die Nachnutzung des Flughafengeländes in Tempelhof ist zu vermeiden. Vielmehr sollten im Hinblick auf das Leitbild “Stadt der Zukunft” die Planungen in umwelt- und klimapolitischer Hinsicht abgestimmt sein bzw. sich sinnvoll ergänzen.

Was sollten wir nicht wollen? Wogegen wenden wir uns?

  • das Offen- und Vorhalten von Flächen als Reserve-Flugplatz,

  • eine weitere militärische Nutzung,

  • weitere Konsumtempel,

  • eine Nutzung als Messe- oder Kongresszentrum,

  • eine Olympia-Planung,

  • ein Wohnungsneubau ohne begleitende Forschung und Entwicklung hinsichtlich Nachhaltigkeit, Energieeffizienz, Baustoffentwicklung, soziales Wohnen,

  • eine zu bezirklichen Strukturen (Reinickendorf, Charlottenburg-Wilmersdorf., Spandau, Mitte) konkurrierende Neuausweisung von Gewerbegebieten,

Welche Aufgaben sehen für die LINKE Reinickendorf?

  • Weiterentwicklung der bezirklichen Überlegungen, deren Qualifizierung im Kompetenzteam

  • regelmäßige Information in „WiR“ über Fortgang der Debatte,

  • Aufbau von strukturübergreifenden Debattenstrukturen,

  • Verfolgung von Konsensaussagen politischer Mitbewerber,

  • Debattenbeiträge in (über-)bezirklichen Medien,

  • Wahlaussagen erarbeiten.

Wir werden unsere Vorschläge in einem Forum am 16.3.2009 öffentlich vorstellen.

Ihre Mitwirkung haben

  • Stefan Liebich, Stellvertretender Fraktionsvorsitzender und wirtschaftspolitischer Sprecher,

  • Sascha Braun, SPD-Fraktionsvorsitzender in der BVV Reinickendorf

  • Dr. Jürgen Stork, Mitglied des Vorstands & Sprecher Bezirksgruppe Reinickendorf NABU

  • Gerhard Maierhöfer, BI gegen das Luftkreuz

zugesagt.

Eingeladen sind die Bezirksvorstände und BVV-Fraktionen von Pankow, Mitte, Charlottenburg-Wilmerdorf und Spandau und die LAG Umwelt.

Mit solidarischen Grüßen
Die Mitglieder des Bezirksvorstandes der LINKEN Reinickendorf

 


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