Elisabeth Michaelis

Elisabeth Michaelis, die von den Nazis 1933 mehrere Wochen eingesperrt und drangsaliert, wurde, erinnert sich noch gut an die letzten Tage des Krieges. Am 22.04.45 drang ein Nazi schwerbewaffnet in den Splittergraben Pannwitz- Ecke Rotbuchenweg und brüllte: „Alle gesunden Männer müssen jetzt raus, damit wir nicht untergehen!“ – „Was wollen Sie hier, machen Sie, daß Sie rauskommen, Sie bringen uns alle in Gefahr!“, entgegnete Elisabeth. Die gleiche Aufforderung richtete sie zwei Tage später an Volkssturmleute, die darauf ihre Waffen wegwarfen. Wenige Sunden danach erreichten die sowjetischen Truppen die Siedlung in der Pannwitzstraße.

Unsinniges Blutvergießen gab es am 22./23. April, weil in der Oranienburger Straße an den errichteten Barrikaden unter der S-Bahn-Brücke und Am Nordgraben ein sowjetischer und ein Polnischer Parlamentär erschossen wurden. Auch am Eichborndamm versuchten versessene Nazis, wie der Werkschutzleiter der Deutschen Waffen- und Munitionsfabrik, die vorrückenden sowjetischen Truppen aufzuhalten. Ihr Spuk dauerte nur wenige Minuten, aber kostete viele Opfer; das Haus 138 wurde zum Trümmerhaufen.

Im Milchladen des Nebenhauses erlebte Elisabeth, wie im Februar 1943 die jüdischen Zwangsarbeiter aus den Deutschen Waffen- und Munitionswerken von der SS auf LKWs zur „Endlösung“ getrieben wurden. Entsetzt war sie über die Äußerung des Milchhändlers, „Na endlich, da habe ich schon lange drauf gewartet!“

Ihre Ohnmacht, nicht helfen zu können, ließ sie aber nicht tatenlos. Im Oktober 1944 beherbergte sie eine versteckte jüdische Oma in ihrer Wohnung. Als die alte Dame in den letzten Tagen des Krieges den Drang nach Hause spürte, steckten Elisabeth und ihre Tochter die alte Dame in einen Kohlensack und zogen mit einem Karren nach Tegel-Süd in den Sendener Weg, wo die Frau in einem Erdbunker hinter ihrem Haus, ihr neues Versteck bis zur Befreiung, die für sie eine Woche später erfolgte, fand.

Die Kinder lagen Elisabeth am meisten am Herzen. Wie freute sie sich, als ihr der sowjetische Kommandant am 26. April eröffnete, die Mütter aus der kinderreichen Siedlung in der Pannwitzstraße können beim Bäcker Hohensee in der Triftstraße Ecke Rosentreterpromenade für ihre Familien Brot abholen.

In den ersten Maitagen zählte Elisabeth mit einer Anzahl Antifaschisten zu den Männern der ersten Stunde, die darangingen, die Betriebe wieder aufzubauen und am Eichborndamm aus der ehemaligen Zwangsarbeiterbaracke den ersten Kindergarten zu errichten. Schwer traf sie der Schlag, als wenige Jahre später im Zuge des kalten Krieges diese Kinder von ihr nicht mehr betreut werden durften und sie als Antifaschistin vor die Tür gesetzt wurde.