Eine Laube der »Roten Kapelle«

Neues Deutschland

Vor den Kleingärten »Am Waldessaum« werden Stolpersteine für Hans und Hilde Coppi verlegt

Von Andreas Fritsche

Berlin-Tegel, Kleingartenkolonie »Am Waldessaum«, Weg 5, Parzelle 107. An der Laube hängt seit Jahrzehnten eine Gedenktafel für die antifaschistischen Widerstandskämpfer Hans und Hilde Coppi. Doch vom nur wenige Meter entfernten Gartentor aus lässt sich die Inschrift schon nicht mehr entziffern.

Im Weg 5 sei es immer bekannt gewesen, »dass wir hier in der Kolonie so eine prominente Parzelle haben«, erzählt die Vorsitzende des Kleingartenvereins. Bei den übrigen Gartenfreunden habe es sich erst jetzt herumgesprochen, nachdem sich das Bezirksamt Reinickendorf meldete und das Erscheinen von Kulturstaatssekretär André Schmitz angesagt wurde.

Der Kommunist Hans Coppi und seine Frau Hilde gehörten zum berühmten Widerstandsnetzwerk »Rote Kapelle«. Heute um 9 Uhr verlegt der Künstler Gunter Demnig am nächstgelegenen Eingang an der Seidelstraße 23 zwei Stolpersteine für diese Opfer des Faschismus. Es ist der Todestag von Hilde Coppi. Sie wurde 1943 in Berlin-Plötzensee hingerichtet. Ihren Mann Hans ermordeten die Nazis bereits am 22. Dezember 1942 – zusammen mit Arvid Harnack und Harro Schulze-Boysen.

Die schwangere Hilde Coppi wurde in der Laube verhaftet. Die Gestapo sei in den frühen Morgenstunden gekommen und habe auch die Schwiegereltern und den Schwager mitgenommen, sagt der Sohn Hans Coppi junior, den Hilde im Frauengefängnis Barnimstraße zur Welt brachte. Die Großeltern haben es ihm so erzählt. Mit ihnen lebte er bis 1950 auf dem Laubengrundstück. Dann zogen sie in den Ostteil der Stadt – nach Karlshorst.

Mit der Parzelle 107 verbindet Hans Coppi junior Kindheitserinnerungen. Er besuchte schon die Schule, als er noch hier lebte. Bereits damals war das Grundstück auch ein Ort des Gedenkens. Angehörige und Freunde kamen vorbei, um an Hans und Hilde Coppi zu erinnern. Es gibt Fotos, die den kleinen Hans bei einer solchen Gelegenheit zeigen. Noch bis in die 1980er Jahre hinein nutzten Verwandte die Parzelle. Die jetzige Pächterin gehört jedoch nicht mehr zur Familie.

Die Großeltern Frieda und Robert Coppi hatten sich 1933 in der im Jahr zuvor gegründeten Laubenkolonie niedergelassen, weil sie die Miete ihrer Wohnung in Wedding nicht mehr bezahlen konnten – ein typisches Arbeiterschicksal in der Zeit der Weltwirtschaftskrise. Heute gibt es in der Kolonie »Am Waldessaum« 115 Parzellen und immerhin noch sieben Gartenfreunde, die ein Dauerwohnrecht genießen.

Die Schneiderin Frieda und der Maler Robert waren 1930/31 in die KPD eingetreten. Ihr Sohn Hans Coppi senior engagierte sich im Kommunistischen Jugendverband (KJVD). Nach dem Machtantritt der Nazis sammelte er Versprengte um sich, wollte den Jugendverband in Tegel neu aufbauen. Er organisierte das Kleben von Flugblättern gegen das Regime. SA und Polizei suchten nach ihm. Er tauchte unter. Hin und wieder klopfte er nachts an die Laube seiner Eltern, holte sich Geld oder Wäsche. Ende Januar schnappten ihn die Nazis und verschleppten ihn ins KZ Oranienburg. Er wurde zu einem Jahr Gefängnis verurteilt.

1941 erhielt Hans Coppi von Harro Schulze-Boysen den Auftrag, eine Funkverbindung in die Sowjetunion herzustellen. Coppi ging mit Eifer ans Werk, scheiterte jedoch an technischen Problemen. Hilde heiratete er im Juni 1941. Sie unterstützte ihn bei seinem Widerstandskampf, hörte Radio Moskau und informierte Angehörige über die Lebenszeichen von Kriegsgefangenen. Das Paar verbrachte eine kurze gemeinsame Zeit in der Laubenkolonie. Dann zog die Wehrmacht den Gatten ein. Am 12. Dezember 1942 wurde er an der Front verhaftet. Im Gefängnis durfte er seinen Sohn nur einmal sehen.

Die Tegeler Hatzfeldallee erhielt 1946 den Namen Hans-und-Hilde-Coppi-Allee. Doch schon 1948 erfolgte die Rückbenennung. In dieser Phase des Kalten Kriegs erschien es im Westen nicht mehr angebracht, an zwei Kommunisten zu erinnern, selbst wenn sie im Kampf gegen den Faschismus ihr Leben gaben.

Auf die Idee, Stolpersteine an der Kleingartenanlage zu verlegen, sei der 2010 verstorbene Karl-Heinz Joseph von der Reinickendorfer Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes (VVN-BdA) gekommen, berichtet Hans Coppi junior, der selbst VVN-Landesvorsitzender ist. »Für mich muss es diese Stolpersteine nicht geben«, sagt er. Sein Gedenken an die Eltern werde auch ohne diese Steine wach gehalten. »Ich stolpere sowieso immer über die Vergangenheit.« Die Steine seien jedoch Ausdruck einer Gedenkkultur in der Gesellschaft. »Das finde ich gut.«

Coppi will bei der Verlegung der Steine ein paar Worte sprechen. Die Vereinsvorsitzende möchte ihm zuhören. Vielleicht kommen auch andere Gartenfreunde dazu.