Erinnern an Hans und Hilde Coppi

Unser Blatt 48

Stolpersteine in Reinickendorf für die beiden Widerstandskämpfer verlegt

Wir waren viele, die sich am 5. August, einem Freitagmorgen gegen neun Uhr am Eingang zur Kolonie „Am Waldessaum“ trafen, dem letzten Wohnort von Hans und Hilde Coppi. Gekommen waren viele Kameradinnen und Kameraden der VVN-BdA, Siedler der Kolonie, auch Berliner und Reinickendorfer Prominenz. Aus Reinickendorf 2 Stadträte, Vertreter der Parteien SPD, CDU, DIE LINKE, Bündnis 90/Die Grünen und Kirchgänger. Unter den etwa 75 Personen auch mein 7jähriger Enkelsohn Benjamin und mein bald 80jähriger Freund Wolfgang. Auch ein Vertreter der Russischen Botschaft hatte sich eingefunden. Der aus Köln angereiste Bildhauer Gunter Demnig war schon dabei, den Boden für die Stolpersteine auszuheben.

Wir kamen zusammen, um an der Verlegung von Stolpersteinen für die beiden Reinickendorfer Widerstandskämpfer teilzunehmen, an ihren mutigen Widerstand gegen die Naziherrschaft zu erinnern und sie zu würdigen. Dazu eingeladen hatten die im Kulturausschuss der Reinickendorfer BVV angesiedelte Arbeitsgruppe Stolpersteine, vertreten durch Torsten Hauschild, und der Berliner Kulturstaatssekretär André Schmitz.

Nachdem uns Torsten Hauschild, der rührige und stark engagierte Mitarbeiter in der Arbeitsgruppe, begrüßt hatte, stimmten uns die klaren und doch auch wehmütigen Klänge eines Saxophons auf die ehrwürdige Gedenkstunde an diesem frühen Morgen ein. Nach der Reinickendorfer Kulturstadträtin, die über das Interesse und den Einsatz Reinickendorfer Schüler an der Gedenkstättenpflege sprach, nahm der Kulturstaatssekretär Schmitz das Wort und erinnerte in sehr bewegenden Worten an den mutigen Widerstand von Hans und Hilde Coppi, die zu den wenigen Deutschen gehörten, die ihr Leben eingesetzt hatten, um die blutige Naziherrschaft zu überwinden.

Besonders betroffen machten uns die Worte vom Berliner Vorsitzen der VVN-BdA, Hans Coppi, der Sohn von Hans und Hilde Coppi. Er erinnerte an das Leben seiner Eltern. Sein Vater Hans, geboren 1916 und aufgewachsen in einem Weddinger Hinterhof, und auch seine Mutter, geboren Ende Mai 1909 in Berlin, hatten sich schon in ihrer Jugend dem aufkommenden Machtbegehren der Nazis widersetzt und darüber aufgeklärt dass mit der Naziherrschaft die Kriegsgefahr zunehmen werde. In den krisengeschüttelten Nachkriegsjahren sahen und erlebten sie, wie sich Not und Elend und gleichfalls revanchistisches und chauvinistisches Gedankengut der Nazis verbreiteten. Dagegen wollten sie kämpfen und so schlossen sie sich der kommunistischen Jugendbewegung an. Hans Coppi, der das Lessing-Gymnasium in der Weddinger Pankstraße besucht hatte, konnte als 13jähriger im Jahr 1929 in die reformpädagogische Schulfarm auf der im Tegeler See gelegenen Insel Scharfenberg wechseln. Dort fand er seine Freunde und künftige Kampf- und Weggenossen. Nachdem im Jahr 1932 einige Mitschüler wegen eines nicht angemeldeten Kinobesuchs in Tegel die Schulfarm verlassen mussten, solidarisierte er sich mit ihnen und erklärte, dass auch er die Farm verlassen werde.

Mit seinen Eltern, die wie viele andere ihre Miete nicht mehr bezahlen konnten, wohnte er seit April 1933 in der Kleingartenkolonie „Am Waldessaum“ in Berlin Tegel. Hier suchte er Verbindung zu dem inzwischen verbotenen Kommunistischen Jugendverband. Nach der Machtergreifung der Nazis hatte er auch an seiner Schule erlebt, wie Menschen von der Gestapo verfolgt, verhaftet und misshandelt wurden, und wie Lehrer, die der nazistischen Ideologie nicht folgten, das Gymnasium verlassen und durch Nazis ersetzt wurden. Daher erklärte er seiner Mutter zu Ostern 1933, dass er unter diesen Bedingungen die Schule nicht weiter besuchen wolle.

Vor den Reichstagswahlen im November 1933 organisierte er mit alten Scharfenberger Schulfreunden und jungen Tegeler Katholiken Flugblatt- und Klebeaktionen, die zum Widerstand gegen die Naziherrschaft aufriefen. Er geriet in Gefahr und musste nunmehr illegal leben. Im Februar 1934 wurde er jedoch von der Gestapo aufgespürt und festgenommen. Zunächst wurde er für sechs Wochen in KZ Oranienburg überstellt und danach zu neun Monaten Haft verurteilt, die er im Jugendgefängnis Plötzensee verbrachte. Nach seiner Entlassung traf er sich erneut mit seinen Scharfenberger Freunden. Wiederum nahmen sie ihren Widerstand gegen die Naziherrschaft auf. Sie verfassten Flugblätter, die vor den Kriegsplänen der Nazis warnten und halfen Verfolgten zur Flucht aus Deutschland. Vielfältige Kontakte entwickelten sie zu anderen Hitlergegnern. So auch zum Schauspieler Wilhelm Schürmann-Horster, dessen Gruppe Widerstand in Betrieben organisierte. Hans Coppi lernte den im Luftwaffenministerium angestellten Offizier Harro Schulze-Boysen kennen, der ihn in Aktivitäten gegen den geplanten Raubkrieg Hitlers gegen die Sowjetunion einweihte und Hans Coppi für den Widerstand dagegen gewann.

Die Eltern von Hans Coppi heirateten im Jahr 1941. Seine Mutter, seit ihrer Jugend ebenfalls antifaschistisch eingestellt und politisch organisiert, nahm aktiv am Widerstand teil. Nach dem Überfall auf die Sowjetunion verbreitete die Nazipropaganda, dass die Rote Armee keine Gefangenen macht, sondern die deutschen Soldaten sofort erschießt. Hilde Coppi widerlegte diese Lügenpropaganda. Obwohl es verboten und unter strengste Strafe gestellt war, hörte sie Radio Moskau, der Namen, Anschrift und Grüße von Kriegsgefangenen sendete. Mit Unterstützung eines Freundes informierte sie deren Angehörige in Deutschland, dass ihre Männer und Söhne lebten.

Im Jahr 1942 nahmen beide an einer Aktion von mehr als 20 Nazigegnern teil, die sich gegen die antisowjetische Propagandaausstellung „Das Sowjetparadies“ richtete. Sie klebten in Moabit und auf dem Wedding Zettel an Häuser und Bäume mit der Aufschrift:“ Das NAZIPARADIES. Krieg Hunger Lüge. Gestapo Wie lange noch?“ Diese Aktion bewies den Nazis, dass ihre Gegner noch immer aktiv waren. Fieberhaft wurden die, später von den Nazis als „Rote Kapelle“ Benannten und der Spionagetätigkeit für die Sowjetunion Beschuldigten, gesucht.

Hans Coppi wurde am 12. September 1942 verhaftet, sieben Tage später zum Tode verurteilt und am 22. Dezember 1942 zusammen mit Harro Schulze-Boysen und Arvid Harnack in Berlin-Plötzensee hingerichtet. Hilde Coppi, zu der Zeit hochschwanger, wurde ebenfalls am 12. September 1942 verhaftet. Ihr Sohn Hans erblickte am 27. November 1942 im Berliner Frauengefängnis in der Barnimstraße das Licht der Welt. Am 20. Januar 1943 wurde Hilde Coppi wegen “Feindbegünstigung, Spionage und Rundfunkverbrechen“ zum Tode verurteilt. Ihr Gnadengesuch lehnte Hitler am 21. Juli 1943 ab. Hilde Coppi wurde am 5. August 1943 in Berlin-Plötzensee hingerichtet.

Seither sind 68 Jahre vergangen. Das Ehepaar verlebte hier nur wenige glückliche Jahre. Ein besonders denkwürdiger Tag. Bevor der Bildhauer Gunter Demnig die Stolpersteine verlegte, hielt er inne, verneigte sich. Stilles Gedenken. Nachdem die Reinickendorfer VVN-VdA, insbesondere ihr im Dezember vergangenen Jahres verstorbener Sprecher Karl Heinz Joseph, über fünf Jahre lang vergeblich mit dem Bezirksamt darum gerungen hatte, in Reinickendorf wieder an öffentlich zugänglicher Stelle einen Ort zur Erinnerung und Würdigung der beiden Widerstandskämpfer einzurichten, wurde dies nun endlich erreicht. Hier sei daran erinnert, dass bereits nach Kriegsende die Tegeler Hatzfeldalle den Namen „Hans-und-Hilde-Coppi-Allee“ erhalten hatte. Im Jahr 1948 wurde die Namensgebung im Zuge des Kalten Krieges wieder rückgängig gemacht.

Lilo Joseph