Die Beneš Dekrete

Verfassungsdekret
Regelung der tschechoslowakischen Staatsbürgerschaft der Personen deutscher und madjarischer Nationalität
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Das Gesetz zur Bestrafung der Nazis und ihrer Helfershelfer
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Dekret über die Besiedlung des landwirtschaftlichen Bodens der Deutschen, der Madjaren und anderer Staatsfeinde durch tschechische, slowakische und andere slawische Landwirte

weitere Dekrete

Weil wir das wirklich so sehen; Interview mit Vladimír Špidla


Verfassungsdekret des Präsidenten der Republik vom 2. August 1945 über
die Regelung der tschechoslowakischen Staatsbürgerschaft der Personen
deutscher und madjarischer Nationalität
.
Sig. Nr. 33

Auf Vorschlag der Regierung und im Einvernehmen mit dem Slowakischen
Nationalrat bestimme ich:

§ 1
(1) Die tschechoslowakischen Staatsbürger deutscher oder madjarischer
Nationalität, die nach den Vorschriften einer fremden Besatzungsmacht
die deutsche oder madjarische Staatsangehörigkeit erworben haben, haben
mit dem Tage des Erwerbs dieser Staatsangehörigkeit die
tschechoslowakische Staatsbürgerschaft verloren.

(2) Die übrigen tschechoslowakischen Staatsbürger deutscher oder
madjarischer Nationalität verlieren die tschechoslowakische
Staatsbürgerschaft mit dem Tage, an dem dieses Dekret in Kraft tritt.

(3) Dieses Dekret erstreckt sich nicht auf die Deutschen und Madjaren,
die sich in der Zeit der erhöhten Bedrohung der Republik (§ 18 des
Dekrets des Präsidenten der Republik vom 19. Juni 1945, Slg. Nr. 16,
über die Bestrafung der nazistischen Verbrecher, der Verräter und ihrer
Helfershelfer sowie über die außerordentlichen Volksgerichte) bei der
amtlichen Meldung als Tschechen oder Slowaken bekannt haben.

(4) Tschechen, Slowaken und Angehörige anderer slawischer Völker, welche
sich in diesem Zeitraum, durch Zwang oder besonders
berücksichtigungswürdige Umstände genötigt, als Deutsche oder Madjaren
bekannt haben, werden nicht nach diesem Dekret als Deutsche oder
Madjaren angesehen, wenn der Minister des Inneren eine Bescheinigung
über die nationale Zuverlässigkeit genehmigt, die der zuständige
Bezirksnationalausschuß (die Bezirksverwaltungskommission) nach
Überprüfung der angeführten Tatsachen ausstellt.

§ 2
(1) Personen, welche unter die Bestimmungen des § 1 fallen und
nachweisen, daß sie der tschechoslowakischen Republik treu geblieben
sind, sich niemals gegen das tschechische und slowakische Volk vergangen
und sich entweder aktiv im Kampfe um seine Befreiung beteiligt oder
unter dem nazistischen oder faschistischen Terror gelitten haben, bleibt
die tschechoslowakische Staatsbürgerschaft erhalten.

(2) Das Gesuch um die Feststellung, daß die tschechoslowakische
Staatsbürgerschaft erhalten bleibt, kann innerhalb von 6 Monaten nach
Inkrafttreten dieses Dekretes beim örtlich zuständigen
Bezirksnationalausschuß (Bezirksverwaltungskommission) oder, wenn der
Antragsteller im Ausland wohnt, bei der Vertretungsbehörde eine
Bescheinigung über die im vorhergehenden Absatz angeführten Umstände
ausgestellt hat.

(3) Darüber, ob den Angehörigen tschechoslowakischer militärischer
Einheiten, die deutscher oder madjarischer Nationalität sind, die
tschechoslowakische Staatsbürgerschaft erhalten bleibt, entscheidet
binnen kürzester Frist von Amts wegen das Ministerium des Inneren auf
Vorschlag des Ministeriums für nationale Verteidigung. Bis zur amtlichen
Entscheidung sind sie als tschechoslowakische Staatsbürgerschaft zu
betrachten.

§ 3
Personen, welche die tschechoslowakische Staatsbürgerschaft gemäß § 1
verloren haben, können innerhalb von 6 Monaten von dem Tage an, der
durch eine in der Sammlung der Gesetze und Verordnungen abgedruckte
Kundmachung des Ministers des Inneren beim örtlich zuständige
Bezirksnationalausschuß (Bezirksverwaltungskommission) oder bei der
Vertretungsbehörde um ihre Wiederverleihung ansuchen. Über ein solches
Ansuchen entscheidet auf Vorschlag des Landesnationalausschusses, in der
Slowakei des Slowakischen Nationalrates, das Ministerium des Inneren
nach freiem Ermessen; es darf ihm jedoch nicht stattgeben, wenn der
Ansuchende die Pflichten eines tschechoslowakischen Staatsbürgers
verletzt hat. Soweit durch Regierungsverordnung nicht anders bestimmt
wird, gelten auch für diese Fälle die allgemeinen Vorschriften über den
Erwerb der tschechoslowakischen Staatsbürgerschaft.

§ 4
(1) Für die Zwecke dieses Dekretes werden verheiratete Frauen und
minderjährige Kinder selbständig beurteilt.

(2) Ansuchen gemäß § 3, welche Ehefrauen und minderjährige Kinder
tschechoslowakischer Staatsbürger einreichen, sind wohlwollend zu
beurteilen. Bis zur Entscheidung darüber sind die Antragsteller als
tschechoslowakische Staatsbürger zu betrachten.

§ 5
Tschechen, Slowaken und Angehörige anderer slawischer Völker, die sich
in der Zeit erhöhten Bedrohung der Republik (§ 18 des Dekrets des
Präsidenten der Republik, Slg. Nr. 16/1945) um die Erteilung der
deutschen oder madjarischen Staatsangehörigkeit beworben haben, ohne
dazu durch Zwang oder besondere Umstände genötigt zu sein, verlieren die
tschechoslowakische Staatsbürgerschaft mit dem Tage, an dem dieses
Dekret in Kraft tritt.

§ 6
Dieses Dekret tritt mit dem Tage seiner Kundmachung in Kraft; es wird
vom Minister des Inneren im Einvernehmen mit den Ministern für
auswärtige Angelegenheiten und für nationale Verteidigung durchgeführt.

Dr. Benes e. h.

Fierlinger e. h.

Masaryk e. h Gen. Svoboda e. h.

Nosek e. h.


Dekret des Präsidenten der Republik vom 19. Juni 1945
über die Bestrafung der nazistischen Verbrecher, der Verräter und ihrer
Helfershelfer sowie über die außerordentlichen Volksgerichte.

Slg. Nr. 16.

(in der Fassung der Gesetze vom 24. Januar 1946, Slg. Nr. 22, und vom 18. Dezember 1946,
Slg. Nr. 245; der durch diese beiden Gesetze abgeänderte vollständige Wortlaut des Dekretes
wurde durch Kundmachung des Justizministers vom 11. Januar 1947, Slg. Nr. 9, neu
veröffentlicht).

Nach unnachsichtiger Gerechtigkeit rufen die unerhörten Verbrechen, welche die Nazisten
und ihre verräterischen Mitschuldigen der Tschechoslowakei gegenüber begangen haben. Die
Verknechtung des Vaterlandes, das Morden, die Versklavung, die Plünderungen und die
Demütigungen, deren Opfer das tschechoslowakische Volk war, und alle diese qualifizierten
deutschen Bestialitäten, bei denen leider auch untreu gewordene tschechoslowakische Bürger
mitgeholfen oder mitgewirkt haben, wobei einige von ihnen auch hohe Ämter, Mandate oder
Ränge mißbrauchten, müssen unverzüglich die verdiente Strafe erhalten, damit das nazistische
und faschistische Übel von den Wurzeln her zerstört wird. Deshalb bestimme ich auf
Vorschlag der Regierung folgendes:

1. Hauptstück.
Verbrechen gegen den Staat.
§1
Wer in der Zeit der erhöhten Bedrohung der Republik (§18) auf dem Gebiete der Republik
oder außerhalb derselben eines der nachstehenden Verbrechen nach dem Gesetz zum Schutze
der Republik vom 19. März 1923, Sig. Nr. 50, begangen hat:
Anschläge gegen die Republik (§1), wird mit dem Tode bestraft;
wer Anschläge vorbereitet (§2), die Sicherheit der Republik bedroht (§3), Verrat begangen
(§4 Nr. 1), sich des Verrates eines Staatsgeheimnisses (§5 Nr. 1), des Verrates eines
militärischen Geheimnisses (§6 Nr. 1, 2 und 3) schuldig gemacht und Verfassungsorganen
gegenüber Gewalt angewendet hat (§10 Nr. 1), wird mit schwerem Kerker von zwanzig
Jahren bis lebenslänglich und bei Vorliegen besonders erschwerender Umstände mit dem Tode
bestraft.

§2
Wer in der Zeit der erhöhten Bedrohung der Republik (§18) Mitglied der Organisationen:
„Die Schutzstaffeln der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei (SS)" oder
„Freiwillige Schutzstaffeln (FS)" oder „Rodobrana" oder „Szabadcsapatok" oder anderer hier
nicht genannter Organisationen ähnlichen Charakters war, wird, wenn er keine strenger zu
bestrafende Handlung begangen hat, wegen Verbrechens mit schwerem Kerker von fünf bis
zu zwanzig Jahren und bei Vorliegen besonders erschwerender Umstände mit schwerem
Kerker von zwanzig Jahren bis lebenslänglich bestraft.

§3
(1) Wer in der Zeit der erhöhten Bedrohung der Republik (§18) die faschistische oder
nazistische Bewegung propagiert oder unterstützt hat. oder wer in jener Zeit durch Druck,
Rundfunk, Film oder Theater, oder auf einer öffentlichen Versammlung die feindliche
Herrschaft auf dem Gebiete der Republik oder einzelne gesetzwidrige Handlungen der
Okkupationskommandos sowie der diesen unterstellten Behörden und Organe gebilligt oder
verteidigt hat, wird, wenn er keine strenger zu bestrafende Handlung begangen hat, wegen
Verbrechens mit schwerem Kerker von fünf bis zwanzig Jahren bestraft, hat er jedoch ein
solches Verbrechen in der Absicht begangen, das moralische, nationale oder staatliche
Bewußtsein des tschechoslowakischen Volkes, insbesondere der tschechoslowakischen
Jugend, zu zerstören, so wird er mit schwerem Kerker von zehn bis zwanzig Jahren, und bei
Vorliegen besonders erschwerender Umstände mit schwerem Kerker von zwanzig Jahren bis
lebenslänglich oder mit dem Tode bestraft.
(2) Wer in dem gleichen Zeitraum Funktionär oder Befehlshaber in den Organisationen
Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei (NSDAP)" oder
Sudetendeutsche Partei (SdP)" oder
Vlajka",
Hlinkagarde" oder
Swatoplukgarde" oder in anderen faschistischen
Organisationen ähnlichen Charakters war, wird, wenn er keine strenger zu bestrafende
Handlung begangen hat, wegen Verbrechens mit schwerem Kerker von fünf bis zwanzig
Jahren bestraft.

§4
Ein tschechoslowakischer Bürger, der in der Zeit der erhöhten Bedrohung der Republik (§18)
im Auslande die auf die Befreiung der Tschechoslowakischen Republik in ihrer
vormünchnerischen Verfassung und Einheit gerichtete Bewegung lähmte, oder in anderer
Weise die Interessen der Tschechoslowakischen Republik bewußt schädigte, insbesondere
wer die Sicherheit der für die Befreiung der Republik in der Heimat arbeitenden Bürger
gefährdete, wird, wenn er kein strenger zu bestrafendes Verbrechen begangen hat, mit
schwerem Kerker von fünf bis zwanzig Jahren bestraft.

Verbrechen gegen Personen.
§5
(1) Wer in der Zeit der erhöhten Bedrohung der Republik (§18) im Dienste oder im Interesse
Deutschlands oder seiner Verbündeten oder einer der Republik feindlichen Bewegung, ihrer
Organisationen oder ihrer Mitglieder folgende Verbrechen begangen hat:
a) Nach dem Strafgesetzbuch vom 27. Mai 1852, RGBl. Nr. 117, das Verbrechen der
öffentlichen Gewalttätigkeit durch Menschenraub (§90), der öffentlichen Gewalttätigkeit
durch Behandlung eines Menschen als Sklaven (§95), des Mordes (§134 bis 137), des
Totschlages (§140 und 141) und der schweren körperlichen Beschädigung (§156),
b) nach dem Strafgesetzbuch, Ges. Art. V/1878 das Verbrechen des Mordes (§278), des
vorsätzlichen Totschlages (§279), der schweren Körperverletzung mit Todesfolge (§306 und
307) und des Kindesraubes (§317), wird mit dem Tode bestraft.
(2) Wer in dem gleichen Zeitraum, unter den gleichen Umständen und zu dem gleichen Zweck
folgende Verbrechen begangen hat:
a) nach dem Strafgesetzbuch vom 27. Mai 1852, RGBl. Nr. 117, das Verbrechen der
öffentlichen Gewalttätigkeit durch unbefugte Einschränkung der persönlichen Freiheit eines
Menschen (§93), der öffentlichen Gewalttätigkeit durch Erpressung (§98), der öffentlichen
Gewalttätigkeit durch gefährliche Drohung (§99) und der schweren körperlichen
Beschädigung (§152 und 155),
b) nach dem Strafgesetzbuch Ges. Art. V/1878 das Verbrechen der rechtswidrigen
Beschränkung der persönlichen Freiheit des Menschen (§323, 324 und 325), der schweren
Körperverletzung (§301) und der Erpressung (§350 und 353), wird mit schwerem Kerker von
zehn bis zwanzig Jahren bestraft.

§6
(1) Wer in dem gleichen Zeitraum der erhöhten Bedrohung der Republik §18) zugunsten der
Kriegsanstrengungen Deutschlands oder seiner Verbündeten Zwangs- oder Pflichtarbeit
angeordnet sowie derjenige, welcher beim Erlassen und bei der Durchführung einer solchen
Anordnung mitgewirkt hat, wird, wenn er kein strenger zu bestrafendes Verbrechen begangen
hat, wegen Verbrechens mit schwerem Kerker von fünf bis zu zehn Jahren bestraft.
(2) Wurde jedoch durch eine solche Anordnung ein Bewohner der Republik gezwungen, im
Auslande oder unter Verhältnissen oder an Orten zu arbeiten, die sein Leben oder seine
Gesundheit gefährdeten, wird der schuldige ohne Rücksicht auf den Zweck der Arbeit mit
schwerem Kerker von zehn bis zu zwanzig Jahren bestraft.

§7
(1) Wer allein oder im Zusammenwirken mit anderen in der Zeit der erhöhten Bedrohung der
Republik (§18) im Dienste oder im Interesse Deutschlands oder seiner Verbündeten oder einer
der Republik feindlichen Bewegung oder ihrer Organisation oder ihrer Mitglieder den Verlust
der Freiheit eines Bewohners der Republik ohne weitere Folgen verschuldet hat, wird wegen
Verbrechens mit schwerem Kerker von fünf bis zwanzig Jahren bestraft. Hat der Schuldige
auf diese Weise den Verlust der Freiheit einer größeren Zahl von Einwohnern der Republik
verursacht, so kann das Gericht als Strafe schweren Kerker von zwanzig Jahren bis
lebenslänglich, unter besonders erschwerenden Umständen die Todesstrafe verhängen.
(2) Wer in dem gleichen Zeitraum, unter den gleichen Umständen, zu dem gleichen Zweck
und auf die gleiche Art verursacht hat, daß einem Bewohner der Republik eine schwere
körperliche Beschädigung ohne schwere Folgen zugefügt wurde, wird wegen Verbrechens mit
schwerem Kerker von zehn bis zwanzig Jahren, und bei Vorliegen besonders erschwerender
Umstände mit Kerker von zwanzig Jahren bis lebenslänglich bestraft. Wurde jedoch davon
eine größere Anzahl von Personen betroffen, so kann das Gericht die Todesstrafe verhängen.
(3) Wer in demselben Zeitraum und unter den gleichen Umständen, zu dem gleichen Zweck
und auf die gleiche Art durch einen Gerichtsbeschluß, durch ein gerichtliches Urteil, durch
eine gerichtliche Anordnung oder durch eine Verwaltungsentscheidung irgendwelcher Art,
durch die Vollstreckung eines Urteils, einer Anordnung oder einer Verwaltungsentscheidung
oder auf andere Weise den Tod eines Bewohners der Republik, eine schwere körperliche
Beschädigung eines Bewohners der Republik mit den in §156 Strafgesetzbuch, RGBl. Nr.
117/1852, und in den §§306, 307 des Strafgesetzbuches Ges. Art. V/1878 angeführten Folgen,
oder seine Deportation verursacht hat, wird wegen Verbrechens mit dem Tode bestraft.

Verbrechen wider das Vermögen.
§8
(1) Wer in der Zeit der erhöhten Bedrohung der Republik (§18) im Dienste oder im Interesse
Deutschlands oder seiner Verbündeten oder einer der Republik feindlichen Bewegung, ihrer
Organisation oder ihrer Mitglieder folgende Verbrechen begangen hat:
a) nach dem Strafgesetzbuch vom 27. Mai 1852, RGBl. Nr. 117, das Verbrechen der
öffentlichen Gewalttätigkeit durch boshafte Beschädigung fremden Eigentums (§85) mit den
in §86 Abs. 2 genannten Folgen, der Brandlegung (§166) unter den Umständen und mit den
Folgen, die in §167 Buchstaben a) genannt sind, des Raubes (§190) unter den Umständen und
mit den Folgen, die in §195 genannt sind,
b) nach dem Strafgesetzbuch Ges. Art. V/1878 das Verbrechen der Brandstiftung (§424), des
Raubes (§344 und 345) unter den Umständen und mit den Folgen des §349 Abs. 1 Punkt 2
und Abs. 2,
wird mit dem Tode bestraft.

(2) Wer in demselben Zeitraum und unter den gleichen Umständen und zu demselben Zweck
folgende Verbrechen begangen hat:
a) nach dem Strafgesetzbuch vom 27. Mai 1852, RGBI. Nr. 117, das Verbrechen der
öffentlichen Gewalttätigkeit durch gewaltsamen Einfall in fremdes unbewegliches Gut (§83),
der öffentlichen Gewalttätigkeit durch boshafte Beschädigung fremden Eigentums (§85, §86
Abs. 1), der Brandlegung (§166) unter den Umständen und mit den Folgen gemäß §187
Buchst. b) bis g), des Diebstahls (§171 bis 180), der Veruntreuung (§181 bis 183), der
Teilnahme am Diebstahl oder an einer Veruntreuung (§185 und 186), des Raubes (§190) unter
den Umständen und mit den Folgen gemäß §§191 bis 194, der Teil nahme am Raub (§196),
des Betruges (§197 bis 201 und 203),
b) nach dem Strafgesetzbuch Ges. Art. V/1878 das Verbrechen des Hausfriedensbruches
durch Privatpersonen (§330 und 331), das Vergehen der Beschädigung fremden Eigentums
(§418 und 420), das nach den Voraussetzungen des Abs. 1 dieses Paragraphen als Verbrechen
zu qualifizieren ist, der Brandstiftung (§422 und 423), des Diebstahls (§333 bis 341), sofern
die Tat nicht gemäß Abs. 1 Buchst. b) dieses Paragraphen strafbar ist, der Hehlerei (§370),
des Betruges (§379 in der Fassung des §50 der Strafrechtsnovelle) unter den in §383 Abs. 2
angegebenen Umständen mit Ausnahme des §382, wird mit schwerem Kerker von zehn bis
zwanzig Jahren und unter besonders erschwerenden Umständen mit schwerem Kerker von
zwanzig Jahren bis lebenslänglich bestraft.

§9
Wer allein oder im Zusammenhang mit anderen in der Zeit der erhöhten Bedrohung der
Republik (§18) im Dienste oder im Interesse Deutschlands oder seiner Verbündeten oder einer
der Republik feindlichen Bewegung, ihrer Organisation oder ihrer Mitglieder durch einen
Gerichtsbeschluß, durch ein Gerichtsurteil, durch eine gerichtliche Anordnung oder durch
eine Verwaltungsentscheidung irgendwelcher Art oder durch die Vollstreckung eines Urteils,
einer Anordnung oder einer Verwaltungsentscheidung verursacht hat, daß dem
Tschechoslowakischen Staat oder einer juristischen oder physischen Person entgegen den
Gesetzen der Republik ihr Vermögen ganz oder zum Teil entzogen wurde, wird, wenn er kein
schwerer zu bestrafendes Verbrechen begangen hat, wegen Verbrechens mit schwerem
Kerker von zehn bis zwanzig Jahren und bei Vorliegen besonders erschwerender Umstände
mit Kerker von zwanzig Jahren bis lebenslänglich bestraft.

§10
Wer in der Zeit der erhöhten Bedrohung der Republik (§18) eine durch die nationale,
politische oder rassische Verfolgung hervorgerufene Zwangslage dazu mißbrauchte, um sich
zum Schaden des Staates, einer juristischen oder physischen Person zu bereichern, wird, wenn
er sich keine strenger zu bestrafende Tat zuschulden kommen ließ, wegen Verbrechens mit
schwerem Kerker von fünf bis zehn Jahren bestraft.

Denunziantentum.
§11
Wer in der Zeit der erhöhten Bedrohung der Republik im Dienste oder m Interesse des
Feindes oder unter Ausnutzung einer durch die feindliche Besetzung herbeigeführten Lage
einen anderen wegen irgendeiner wirklichen oder erfundenen Tat angezeigt hat, wird wegen
Verbrechens mit schwerem Kerker von fünf bis zehn Jahren bestraft. Hat der Angeber aber
durch seine Anzeige den Verlust der Freiheit eines tschechoslowakischen Bürgers verschuldet,
wird er mit schwerem Kerker von zehn bis zwanzig Jahren bestraft. Hatte die Anzeige zur
mittelbaren oder unmittelbaren Folge den Verlust der Freiheit einer größeren Zahl von
Menschen oder eine schwere Gesundheitsschädigung, so wird als Strafe lebenslänglicher
Kerker, hatte sie den Tod irgend jemandes zur Folge, die Todesstrafe verhängt.

Allgemeine Bestimmungen.
§12
Nach diesem Dekret wird auch ein Ausländer bestraft, der ein in §1 angeführtes Verbrechen
oder eines der in den §§4 bis 9 genannten Verbrechen im Auslande begangen hat, wenn sie
einem tschechoslowakischen Staatsbürger oder aber tschechoslowakischem öffentlichem oder
privatem Vermögen gegenüber begangen wurden.

§13
(1) Eine nach diesem Dekret strafbare Handlung ist nicht dadurch gerechtfertigt, daß die
Vorschriften eines anderen Rechtes als des tschechoslowakischen oder Organe, die durch eine
andere als die tschechoslowakische Staatsgewalt eingesetzt wurden, sie angeordnet oder
zugelassen hat. Sie ist auch dadurch nicht entschuldigt, daß der Täter diese unwirksamen
Vorschriften für gerechtfertigt gehalten hat.

(2) Es rechtfertigt den Täter auch nicht, daß er seine Dienstpflicht erfüllt hat, wenn er mit
besonderem Eifer gehandelt und auf diese Weise in erheblichem Ausmaße den normalen
Rahmen seiner Pflichten überschritten hat, oder wenn er in der Absicht tätig war, den
Kriegsanstrengungen der Deutschen (ihrer Verbündeten) Vorschub zu leisten, die
Kriegsanstrengungen der Tschechoslowakei (ihrer Verbündeten) zu schädigen oder zu
vereiteln, oder wenn er aus anderen besonders verwerflichen Beweggründen gehandelt hat.

(3) Unwiderstehlicher Zwang durch Befehl eines Vorgesetzten befreit niemanden von der
Schuld, der freiwillig Mitglied einer Organisation wurde, deren Mitgliedschaft die Ausführung
eines jeden, auch eines verbrecherischen Befehls auferlegte.

§14
Verurteilt das Gericht wegen eines in diesem Dekret genannten Verbrechens und nimmt es
nicht von einer Bestrafung Abstand (§16 Abs. 2), so spricht es zugleich aus:
a) daß der Verurteilte für eine bestimmte Zeit oder für immer die bürgerlichen Ehrenrechte
verliert (§15);
b) daß der Verurteilte einen Teil der Freiheitsstrafe oder die g Strafe in besonderen
Zwangsarbeitsabteilungen verbüßt, die durch ein besonderes Gesetz errichtet werden;
c) daß sein gesamtes Vermögen oder ein Teil seines Vermögens zugunsten des Staates verfällt.

§15
Der Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte (§14 Buchstabe a) bedeutet:
1. den dauernden Verlust von Auszeichnungen, Orden und Ehrenzeichen, von öffentlichen
Anstellungen, Rängen und Funktionen, von akademischen Würden wie auch den Verlust der
Ruhe. und Versorgungsbezüge, Gnadengehälter und sämtlicher sonstiger Bezüge aus
öffentlichen Mitteln;
2. bei Unteroffizieren Degradierung und bei Offizieren Kassation;
3. den Verlust der Fähigkeit zum Erwerb, zur Ausübung und zum Wiedererwerb der unter Nr.
1 und 2 angeführten sowie der durch die verlorenen Ränge bedingten Rechte;
4. den Verlust des Wahlrechts und des Rechts, in eine öffentliche Funktion gewählt oder
berufen zu werden oder in öffentlichen Angelegenheiten seine Stimme abzugeben;
5. den Verlust der Fähigkeit, eine Funktion in Vereinigungen (Vereinen oder anderen
ähnlichen Verbänden) zu versehen;
6. den Verlust der Fähigkeit, Eigentümer, Herausgeber oder Schriftleiter eines periodischen
Druckerzeugnisses zu sein oder in irgendeiner Weise bei dessen Herausgabe oder
Schriftleitung mitzuwirken wie auch nichtperiodische Druckerzeugniese zu verlegen,
herauszugeben und zu veröffentlichen;
7. den Verlust der Fähigkeit, öffentliche Vorträge oder Reden zu halten;
8. den Verlust der Fähigkeit, an Erziehungs- oder künstlerischen Anstalten oder
Unternehmungen zu arbeiten;
9. den Verlust der Fähigkeit, Arbeitgeber oder Mitunternehmer zu sein;
10. den Verlust der Fähigkeit, einen freien Beruf auszuüben;
11. den Verlust der Fähigkeit, Mitglied des Vorstandes (Verwaltungsrates) von Gesellschaften
oder Genossenschaften zu sein;
12. den Verlust der Fähigkeit, leitender Beamter eines Privatunternehmens zu sein.
Wer die in diesem Paragraphen enthaltenen Verbote übertritt, wird durch das ordentliche
Gericht wegen Übertretung mit Gefängnis von einer Woche bis zu drei Monaten bestraft.

§16
(1) Eine Freiheitsstrafe darf nicht unter die untere Grenze des Strafmaßes herabgesetzt, und
ihre Art darf nicht in eine mildere umgewandelt werden.
(2) Das Gericht kann die Strafe auch unter die untere Grenze des Strafmaßes herabsetzen und
ihre Art in eine mildere verwandeln, in besonders berücksichtigungswürdigen Fällen sogar im
Urteilsspruch auf eine Bestrafung verzichten, wenn allgemein bekannt ist oder unverzüglich
nachgewiesen werden kann, daß der Angeklagte in der Absicht gehandelt hat, dem
tschechischen oder slowakischen Volke oder der Tschechoslowakischen Republik oder ihren
Verbündeten oder einem anderen öffentlichen Interesse zu nützen, oder daß er sich später
durch seine Tätigkeit um die Befreiung der Republik aus der Gewalt der Feinde, oder um die
Wiedergutmachung oder die Verringerung des durch den Feind verursachten Unheils verdient
gemacht hat, und daß er nach seiner Bekehrung dann auf dem Wege der Pflicht beharrte.
Diese Bestimmung darf aber nicht angewendet werden, wenn der vom Täter herbeigeführte
Schaden den ihm nachfolgenden gemeinen Nutzen unangemessen übersteigt.

§17
Die nach diesem Dekret strafbaren Verbrechen und die Vollstreckung der Strafe verjähren
nicht.

§18
Unter der Zeit der erhöhten Bedrohung der Republik ist der Zeitraum von 21. Mai 1938 bis zu
dem Tage zu verstehen, der durch eine Regierungsverordnung bestimmt wird
(Die Regierungsverordnung vom 22. November 1946, Slg. Nr. 217, setzte das Ende der Zeit der
erhöhten Bedrohung der Republik auf den 31. Dezember 1946 fest.)

§19
Die nach diesem Dekret strafbaren Verbrechen sind immer als besonders verwerflich im Sinne
des §1 Abs. 1 des Gesetzes über das Staatsgefängnis vom 16. Juli 1931, Slg. Nr. 123,
anzusehen.

§20
Die Begünstigung der nach diesem Dekret strafbaren Verbrechen wird nach den geltenden
Strafgesetzen mit folgenden Änderungen bestraft:
1. bei Verbrechen gegen den Staat wird die Begünstigung in gleicher Weise wie diese
Verbrechen bestraft;
2. bei diesen Verbrechen ist auch die Begünstigung durch Verbergen nahestehender Personen
(§39 Nr. 4 des Gesetzes zum Schutze der Republik, Slg. Nr. 50/1923) ebenso wie das
Verbrechen strafbar und wird mit schwerem Kerker von einem Jahr bis zu zehn Jahren, wenn
dieses Dekret jedoch das Verbrechen selbst mit der Todesstrafe belegt, mit schwerem Kerker
von fünf bis zwanzig Jahren bestraft;
3. bei den übrigen Verbrechen wird die Begünstigung mit schwerem Kerker
a) von zehn bis zwanzig Jahren, wenn dieses Dekret das Verbrechen selbst mit der Todesstrafe
oder mit schwerem Kerker in Dauer von mehr als zwanzig Jahren belegt,
b) von einem Jahr bis zu zehn Jahren, wenn dieses Dekret das Verbrechen selbst mit einer
geringeren Strafe belegt, bestraft.

2. Hauptstück.
Die außerordentlichen Volksgerichte.
§21
(1) Den außerordentlichen Volksgerichten steht die Gerichtsbarkeit über alle Verbrechen zu,
die nach diesem Dekret strafbar sind, wenn für sie als Täter, Mittäter, Mitschuldige,
Teilnehmer oder Begünstiger die in §2 und §3 Abs. 2 angeführten Personen strafrechtlich
verantwortlich sind; sind für sie andere Personen strafrechtlich verantwortlich, so unterstehen
diese der Gerichtsbarkeit der außerordentlichen Volksgerichte dann, wenn der öffentliche
Ankläger ihre Verfolgung von diesen (Gerichten) beantragt (§24).
(2) Die örtliche Zuständigkeit der außerordentlichen Volksgerichte bestimmt sich nach den
Vorschriften der auf dem Gebiet der Republik geltenden Strafprozeßordnungen.

Zusammensetzung und Sitz der außerordentlichen Volksgerichte.
§22
(1) Das außerordentliche Volksgericht übt seine Gerichtsbarkeit in fünfgliedrigen Senaten aus,
bestehend aus einem Vorsitzenden, der Berufsrichter (Zivil- oder Militärrichter) sein muß, und
vier Laienrichtern.
(2) Die Vorsitzenden der außerordentlichen Volksgerichte, ihre Stellvertreter und die
Berufsrichter (Abs. 1) ernennt der Präsident der Republik auf Antrag der Regierung aus einem
zu diesem Zweck von den Bezirksnationalausschüssen aufgestellten Personenverzeichnis. Aus
anderen von den Bezirksnationalausschüssen aufgestellten Verzeichnissen ernennt die
Regierung die Laienrichter.
(3) Es ist Sache des Vorsitzenden des außerordentlichen Volksgerichtes oder seines
Stellvertreters, aus den in Absatz 2 genannten Personen die erforderliche Anzahl von Senaten
samt Ersatzleuten zusammenzustellen.
(4) Die außerordentlichen Volksgerichte werden an den Sitzen der Kreisgerichte errichtet,
jeder Senat des außerordentlichen Volksgerichts kann jedoch, wenn sich dies als notwendig
erweist, an jedem beliebigen Ort des Geririctssprengels tagen. Die Vollstrecker der
Todesstrafe samt der erforderlichen Anzahl von Gehilfen bestellt der Ortsnationalausschuß
am Sitze des Kreisgerichts.
(5) Durch Regierungsverordnung wird bestimmt, welches Gelöbnis die Laienrichter ablegen
werden und welcher Ersatz der Auslagen und des entgangenen Gewinns ihnen zusteht.

§22 a (wurde durch Gesetz vom 18. Dezember 1946 eingefügt)
(1) Es ist eine Bürgerpflicht, das Amt des Laienrichters zu übernehmen und zu bekleiden.
Verletzt ein Laienrichter ohne triftige Gründe diese Pflicht insbesondere dadurch, daß er
einer Hauptverhandlung ohne ausreichende Entschuldigung fernbleibt, obwohl er ordnungsgemäß
geladen war, oder daß er sich ohne Einwilligung des Senatsvorsitzenden vor Schluß der
Hauptverhandlung entfernt, auferlegt ihm der Vorsitzende als Ordnungsstrafe eine
Geldstrafe bis zu 10 000 Kcs oder Gefängnis bis zu acht Tagen und je nach den Umständen
auch den Ersatz der Kosten der vereitelten Hauptverhandlung. Gegen dieses Erkenntnis kann
der Betroffene innerhalb von acht Tagen Einspruch erheben, über den der Vorsitzende des
außerordentlichen Volksgerichts endgültig entscheidet.
(2) Die Geldstrafe fällt an die Staatskasse.

§23
Bei der Abstimmung geben zuerst die Laienrichter die Stimme ab, und zwar die älteren vor den jüngeren.

Der öffentliche Ankläger.
§24
(1) Den öffentlichen Ankläger der außerordentlichen Volksgerichte ernennt die Regierung oder
in ihrem Auftrag der Justizminister für einen bestimmten Zeitraum, für bestimmte Fälle,
oder für die ganze Zeit der Tätigkeit der Gerichte aus den Staatsanwälten oder aus anderen
Personen, die den juristischen Doktorgrad erlangt oder die drei juristischen Staatsprüfungen,
zumindest aber die judizielle Staatsprüfung abgelegt haben, sofern sie in den zu diesem Zweck
von den Bezirksnationalausschüssen aufgestellten Verzeichnissen enthalten sind.
(2) Die öffentlichen Ankläger bei den außerordentlichen Volksgerichten unterstehen dem Justizminister.

Das Verfahren vor den außerordentlichen Volksgerichten.
§25
(1) Für das Verfahren vor den außerordentlichen Volksgerichten gelten die Grundsätze des Verfahrens
vor den Standgerichten, und zwar in der in den
§§26 bis 31 dieses Dekretes enthaltenen Fassung. In den Fällen, in denen das Dekret auf die
Vorschriften des ordentlichen Verfahrens verweist, sind die Vorschriften der geltenden
Strafprozeßordnung gemeint.
(2) Wurde der Angeklagte durch ein Urteil des außerordentlichen Volksgerichts freigesprochen,
so ist dadurch seine Verfolgung vor dem zuständigen ordentlichen Gericht, gegebenenfalls vor
dem Staatsgericht nach dem Gesetz Nr. 68/1935, oder vor dem für die Rechtssprechung über militärischen
Verrat nach dem Gesetz Slg. Nr. 130/1936 und der Regierungsverordnung Slg. Nr. 238/1937
zuständigen Kreisgericht nicht ausgeschlossen. Dieses Gericht urteilt über die Angelegenheit
von neuem im ordentlichen Verfahren, wobei die materiell-rechtlichen Bestimmungen dieses Dekretes
(§1 bis 20) gelten, in gleicher Weise als ob die schuldige Person gleich von vornherein vor
das ordentliche Gericht (§21) gestellt worden wäre. Der Antrag, gegen den Beschuldigten auf diese
Weise zu verfahren, muß jedoch spätestens innerhalb von drei Monaten vom Tage des freisprechenden
Urteils eingebracht werden.

§26 (Anmerkung!)
(1) Das Verfahren vor dem außerordentlichen Volksgericht wird auf Antrag des öffentlichen Anklägers
eingeleitet (§24). Schwangere Frauen dürfen nicht vor ein außerordentliches Volksgericht gestellt
werden, solange dieser ihr Zustand dauert.
(2) Das ganze Strafverfahren findet in der Regel von Anfang bis zum Ende vor dem außerordentlichen
Volksgericht in Form einer Hauptverhandlung, soweit möglich ohne Unterbrechung, statt und muß
innerhalb von drei Tagen, gerechnet von dem Augenblick, in dem der Angeklagte vor das Gericht gestellt
wurde, vollendet sein. Ist das außerordentliche Volksgericht innerhalb dieser Frist zu keinem
Urteil gelangt, so tritt es die Angelegenheit an das zuständige ordentliche Gericht ab (§25 Abs. 2).
Auch nach Ablauf dieser Frist ist jedoch das Verfahren vor dem außerordentlichen Volksgericht
fortzusetzen, wenn dies der öffentliche Ankläger beantragt.
(3) In der Vorerhebung oder in der Voruntersuchung, die dem Verfahren vor dem außerordentlichen
Volksgericht möglicherweise vorangeht, hat der öffentliche Ankläger die Rechte und Pflichten
des Staatsanwalts.
(4) Ist der Angeklagte nicht erschienen oder kann er aus irgendwelchen Gründen nicht vor Gericht
erscheinen, so kann der öffentliche Ankläger beantragen, daß die Hauptverhandlung in Abwesenheit
des Angeklagten stattfindet. In einem solchen Falle hat das Gericht einen Offizialverteidiger zu
bestellen.

§27
Das Verfahren vor dem außerordentlichen Volksgericht ist mündlich und öffentlich. Der Angeklagte
hat das Recht, sich selbst einen Verteidiger zu wählen oder das Gericht zu ersuchen, ihm einen
Verteidiger zu bestellen, wenn er mittellos ist. Macht der Angeklagte von seinem Recht keinen
Gebrauch, so bestellt ihm das Gericht einen Offizialverteidiger. Sowohl der Angeklagte wie auch
das Gericht können mit der Verteidigung eine nicht in die Liste der Verteidiger eingetragene
Person betrauen, welche das Doktorat der Rechte erworben oder die drei juristischen Staatsprüfungen,
zumindest aber die judizielle Staatsprüfung, abgelegt hat.

§28
(1) Die Hauptverhandlung vor dem außerordentlichen Volksgericht wird nach Aufruf der Sache und
Feststellung der Personalien mit der Darlegung des öffentlichen Anklägers, welche Taten dem
Angeklagten zur Last gelegt werden, eröffnet. Die Vernehmung des Angeklagten und die Beweiserhebung
richten sich im allgemeinen nach den Vorschriften der Strafprozeßordnung. Die Vernehmungsprotokolle
der Mitschuldigen und Zeugen und die Gutachten der Sachverständigen können jederzeit verlesen
werden, wenn der Vorsitzende des Senats ihre Verlesung für zweckmäßig erachtet.
(2) Das Verfahren beschränkt sich in der Regel auf die Tat oder die Taten, für die der Angeklagte
vor das außerordentliche Volksgericht gestellt wurde. Taten, die nach diesem Dekret nicht
strafbar sind, dürfen somit nicht berücksichtigt werden. Werden sie später im Verfahren vor dem
außerordentlichen Volksgericht oder vor dem ordentlichen Gericht, gegebenenfalls vor dem
Staatsgericht oder vor dem für die Rechtsprechung über militärischen Verrat zuständigen Kreisgericht
verfolgt, so ist die durch das außerordentliche Volksgericht bereits verhängte Freiheitsstrafe
bei der Bemessung der Strafe zu berücksichtigen.
(3) Das Verfahren vor den außerordentlichen Volksgerichten darf durch die Feststellung der
Ansprüche auf Ersatz des durch die Straftat verursachten Schadens nicht verzögert werden.
(4) Die Ermittlung der Mitschuldigen darf zwar nicht versäumt werden, die Verkündigung und
Vollstreckung des Urteils darf dadurch jedoch nicht aufgeschoben werden.
(5) Nach Beendigung des Beweisverfahrens wertet der öffentliche Ankläger dessen Ergebnisse
aus und stellt seinen Schlußantrag. Daraufhin erteilt der Vorsitzende das Wort dem Angeklagten
und seinem Verteidiger zum Vortrag der Verteidigung. Wenn der öffentliche Ankläger auf deren
Ausführungen antwortet, haben der Angeklagte und sein Verteidiger das Recht auf ein Schlußwort.

§29 (Anmerkungen!)
(1) Danach beschließt das Gericht in nichtöffentlicher Beratung das Urteil, wobei es sich nach
den einschlägigen Vorschriften über das ordentliche Verfahren richtet, soweit dieses Dekret
nichts anderes bestimmt. Für des Beschluß, durch den die Strafe unter die untere Grenze des
Strafsatzes herabgesetzt oder die Strafart in eine leichtere umgewandelt oder aber von einer
Bestrafung Abstand genommen wird (§16 Abs. 2), sind jedoch vier Stimmen erforderlich.
(2) Stützt sich der Schuldspruch bei einem Verbrechen, für das dieses Dekret die Todesstrafe
vorsieht, nur auf drei Stimmen oder ist das Gericht der Auffassung, daß Umstände vorliegen,
die die Todesstrafe unverhältnismäßig hart erscheinen lassen, kann das Gericht als Strafe
schweren Kerker von zwanzig Jahren bis lebenslänglich verhängen und unter den in §16 Abs. 2
angegebenen Voraussetzungen auch diese Bestimmung heranziehen. Die Vorschriften des Absatzes
1 Satz 2 gelten auch hier.
(3) Das Urteil ist sofort in einer öffentlichen Sitzung des Gerichtes zu verkündigen.

§30
Ober das Verfahren vor dem außerordentlichen Volksgericht wird ein Protokoll nach den
Vorschriften über das ordentliche Verfahren angefertigt. Dieses Protokoll unterzeichnen
alle Mitglieder des Senates und der Schriftführer.

§31 (Anmerkung!)
(1) Gegen ein Urteil der außerordentlichen Volksgerichte gibt es keine ordentlichen Rechtsmittel.
Ein von wem immer eingereichtes Gnadengesuch hat keine aufschiebende Wirkung.
(2) Die Todesstrafe wird innerhalb von zwei Stunden nach der Verkündigung des Urteils vollstreckt.
Auf ausdrückliches Ansuchen des Verurteilten kann die Frist um eine weitere Stunde verlängert
werden. Wurde das Verfahren in Abwesenheit des Angeklagten durchgeführt, so wird die Todesstrafe
innerhalb von 24 Stunden nach der Ergreifung des Verurteilten vollstreckt. Die Vollstreckung
der Todesstrafe ist jedoch für einen angemessenen Zeitraum aufzuschieben, wenn dies der öffentliche
Ankläger auf Grund eines wichtigen öffentlichen Interesses verlangt.
(3) Die Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes ist zulässig.
(4) Über den Antrag auf Wiederaufnahme des Strafverfahrens entscheidet der Gerichtshof erster
Instanz, der in der Sache entschieden hat. Dabei richtet er sich nach den Bestimmungen der
Strafprozeßordnung über die Wiederaufnahme des Strafverfahrens. Die neue Hauptverhandlung erfolgt
jedoch unter den in §21 angeführten Voraussetzungen vor dem außerordentlichen Volksgericht.

Übergangs- und Schlußbestimmungen.
§32 (Anmerkung!)
(1) Die Bestimmungen des Gesetzes vom 3. Mai 1934, Slg. Nr. 91, betreffend die Verhängung der
Todesstrafe und die lebenslangen Strafen, gelten nicht für die nach diesem Gesetz strafbaren Verbrechen.
(2) Die Bestimmungen des Gesetzes vom 11. März 1931, Slg. Nr. 48, über die Jugendstrafgerichtsbarkeit,
bleiben in Geltung.
(3) Soll das Verfahren über Straftaten, die nach diesem Dekret strafbar sind, vor einem ordentlichen
Gericht stattfinden und handelt es sich um eine Tat, für die sonst das Schwurgericht zuständig
sein würde, so findet das ganze Verfahren vor dem Gerichtshof erster Instanz nach den Vorschriften
über das Verfahren bei den diesem Gerichtshof zugewiesenen Straftaten statt.

§33 (Anmerkung)
Die Wirksamkeit dieses Dekretes wird auf den Zeitraum eines Jahres festgesetzt, gerechnet vom
Tage der Kundmachung, es sei denn, daß die gesetzgebenden Gewalten es abändern oder ergänzen oder
aber die Zeit seiner Wirksamkeit verkürzen oder verlängern.

§34 (Anmerkung)
Die Durchführung dieses Dekretes wird allen Mitgliedern der Regierung übertragen.

Dr. Benesch, Fierlinger
David; Gottwald; Siroky; Dr. Sramek; Ursiny; General Svoboda; Dr. Ripka; Nosek; Dr. Srobar;
Dr. Nejedly; Dr. Stransky; Kopecky; Lausman;
Duris; Dr. Pietor; General Hasal; Hala; Dr. Soltesz; Dr. Prochazka; Majer; Dr. Clementis,
auch für Minister Masaryk; General Dr. Ferjencik; Lichner.
(alle Unterschriften mit dem Zusatz "eigenhändig").


Ergänzungen, Erläuterungen:

Zu §26:
§26 Abs. 2 und 3 wurden durch das Gesetz vom 24. Januar 1946, Slg. Nr. 22, abgeändert;
ursprünglich lauteten die beiden Absätze folgendermaßen:
(2) Das ganze Verfahren gegen einen einzelnen Angeklagten findet, soweit möglich, ohne
Unterbrechung von Anfang bis zum Ende vor dem außerordentlichen Volksgericht statt. Das
Verfahren gegen einen einzelnen Angeklagten darf nicht länger als drei Tage dauern. Diese
Frist beginnt in dem Augenblick, in dem der Angeklagte vor Gericht gestellt wurde.
(3) Gelangt das Volksgericht innerhalb einer Frist von drei Tagen zu keinem Urteil, so
tritt es die Angelegenheit an das zuständige ordentliche Gericht ab (§23 Abs. 2). In
diesem Falle entscheidet es auch darüber, ob der Angeklagte in Haft zu belassen ist."

Zu §29, Absatz 1:
Satz 2 wurde durch das Gesetz vom 18. Dezember 1946 hinzugefügt.

Zu §29, Absatz 2:
Dieser Satz wurde durch das Gesetz vom 18. Dezember 1946 hinzugefügt.

Zu §31:
Vor der Neufassung durch das Gesetz vom 24. Januar 1946 hatte §31 folgenden Wortlaut:
(1) Gegen ein Urteil der außerordentlichen Volksgerichte gibt es keine Rechtsmittel.
Ein von wem immer eingereichtes Gnadengesuch hat keine aufschiebende Wirkung.
(2) Die Todesstrafe wird in der Regel innerhalb von zwei Stunden nach der Verkündigung
vollstreckt. Auf ausdrückliches Ansuchen des Verurteilten kann die Frist um eine
weitere Stunde verlängert werden. Wurde das Verfahren in Abwesenheit des Angeklagten
abgehalten, so wird das Todesurteil innerhalb von 24 Stunden nach der Ergreifung
des Täters vollstreckt.
(3) Das außerordentliche Volksgericht kann auch entscheiden, daß die Todesstrafe öffentlich
vollzogen wird. Dies geschieht insbesondere dann, wenn
die grausame Art, in der das Verbrechen begangen wurde, oder der ruchlose Charakter
des Täters, die Zahl seiner Verbrechen oder seine Stellung für
eine öffentliche Vollstreckung des Urteils sprechen. In diesem Falle kann das Gericht,
um die Öffentlichkeit des Strafvollzugs zu gewährleisten, die Frist
von zwei Stunden verlängern, jedoch nicht über 24 Stunden hinaus.

Zu §32 Absatz 3:
Absatz 3 wurde durch das Gesetz vom 18. Dezember 1946 hinzugefügt.

Zu §33:
Das Dekret vom 19. Juni 1945 wurde am 9. Juli 1945 veröffentlicht. Seine Genehmigung,
Änderung und Ergänzung erfolgte durch die Gesetze vom 24. Januar 1946, Slg. Nr. 22, verkündet
am 19. Februar 1946, und vom 18. Dezember 1946, Slg. Nr. 245, in Kraft getreten am 9. Januar 1947.

Zu §34:
In der Slowakei erging eine Verordnung des Slowakischen Nationalrates vom 15. Mai 1945 über
die Bestrafung der faschistischen Verbrecher, Okkupanten, Verräter und Kollaboranten sowie
über die Errichtung einer Volksgerichtsbarkeit (Slg. d. Vo. des Slowakischen Nationalrates Nr. 33).
Diese Verordnung wurde abgeändert und ergänzt durch die Verordnungen des Slowakischen Nationalrates
vom 25. Juli 1945 (Slg. d. Vo. des Slowakischen Nationalrates Nr. 83) und vom 14. Mai 1946
(Slg. d. Vo. des Slowakischen Nationalrates Nr. 57); der vollständige abgeänderte Wortlaut der
Verordnung wurde durch die Kundmachung des Beauftragten für Justiz vom 14. Mai 1946 veröffentlicht
(Slg. d. Vo. des Slowakischen Nationalrates Nr. 58).
Eine Durchführungsverordnung hierzu erging am 5. Juni 1945
(Slg. d. Vo. des Slowakischen Nationalrates Nr. 55), das Verfahren wurde in der Verordnung
vom 19. Dezember geregelt (Slg. d. Vo. des Slowakischen Nationalrates Nr. 88).


Dekret des Präsidenten der Republik vom 20. Juli 1945
über die Besiedlung des landwirtschaftlichen Bodens der Deutschen, der Madjaren und anderer
Staatsfeinde durch tschechische, slowakische und andere slawische Landwirte
.
Slg. Nr. 28.

Auf Vorschlag der Regierung bestimme ich:

§ 1
Das auf Grund des Dekretes des Präsidenten der Republik vom 21. Juni 1945, Slg. Nr. 12, über
die Konfiskation und die beschleunigte Aufteilung des landwirtschaftlichen Bodens der Deutschen,
der Madjaren, wie auch der Verräter und Feinde der tschechischen und der slowakischen Nation,
konfiszierte und dem Nationalen Bodenfonds gehörende landwirtschaftliche Vermögen wird, soweit es
nicht im Sinne des Konfiskationsdekretes aufgeteilt wird, durch Zuteilung von Boden an berechtigte
Bewerber (§2) aus Bezirken, in denen ein Mangel an Boden besteht oder in denen für die Landwirtschaft
ungünstige Bedingungen herrschen, besiedelt.

§ 2
(1) Um eine Bodenzuteilung im Rahmen der Besiedelung können staatlich und national zuverlässige
Angehörige der tschechischen, der slowakischen oder einer anderen slawischen Nation ansuchen, und zwar:
a) Deputanten und landwirtschaftliche Arbeiter,
b) Landwirte mit einem bisherigen Ausmaß landwirtschaftlichen Bodens bis zu 13 ha, sofern sie
diesen Boden und die dazugehörigen Baulichkeiten dem Nationalen Bodenfonds übereignen; über
das übrige Vermögen können sie frei verfügen;
c) die Familienmitglieder eines Landwirtes gemäß Buchst. b), soweit sie praktische Landwirte sind
und das Alter von 18 Jahren erreicht haben;
d) landwirtschaftliche Produktivgenossenschaften, welche aus den unter den Buchstaben a), b)
oder c) angeführten berechtigten Antragstellern bestehen;
e) Gemeinden, Bezirke und der Staat für öffentliche Zwecke;
f) andere als die unter Buchst. a) angeführten Arbeiter, öffentliche und private Arbeitnehmer,
Kleingewerbetreibende und sozial schwache Angehörige
freier Berufe für den Bau eines Eigenheimes oder für die Anlage eines Gartens im Ausmaße bis zu 0,5 ha.
(2) Der gemäß Absatz 1 Buchst. b) dem Nationalen Bodenfonds übereignete Boden wird nach den im
Dekret des Präsidenten der Republik, Slg. Nr. 12/1945, angeführten Bedingungen, gegebenenfalls
nach diesem Dekret aufgeteilt.
(3) Um eine Bodenzuteilung im Rahmen der Besiedelung können auch Personen ansuchen, welche ihren
Wohnsitz am Orte des konfiszierten Vermögens haben, falls sie den in Absatz 1 angeführten Bedingungen
entsprechen und sich zur Durchführung einer etwaigen Zusammenlegung der Grundstücke verpflichten.

§ 3
Ein Vorzugsrecht auf Bodenzuteilung nach diesem Dekret haben die berechtigten Bewerber, die sich im
nationalen Befreiungskampf ausgezeichnet und verdient gemacht haben, insbesondere Soldaten und
Partisanen, ehemalige politische Gefangene und Deportierte, ihre Familienangehörigen und
gesetzlichen Erben sowie auch durch den Krieg geschädigte Bauern. Die Voraussetzungen des
Vorzugsrechts auf Zuteilung sind ordnungsgemäß nachzuweisen.

§ 4
(1) Die berechtigten Bewerber reichen bei der Ortsbauernkommission ein Zuteilungsgesuch an die
zuständige Bezirksbauernkommission ein.
(2) Die Bezirksbauernkommission überprüft die eingegangenen Gesuche um Zuteilung von Siedlungsboden
und leitet sie beschleunigt an den Landesnationalausschuß weiter, der die Gesuche mit seinem Gutachten
unverzüglich dem Landwirtschaftsministerium vorlegt.
(3) Das Landwirtschaftsministerium erläßt im Rahmen der Vorschriften des Dekretes des Präsidenten der
Republik vom 17. Juli 1945, Slg. Nr. 27, über das einheitliche Verfahren der Innenkolonisation,
einheitliche Richtlinien für die Besiedelung und teilt unter Berücksichtigung der in dem Gesuch
angeführten Umstände und unter Mitwirkung der Bezirksbauernkommission sowie der zuständigen
Bezirksnationalausschüsse, den Erfordernissen und Möglichkeiten gemäß, den berechtigten Bewerbern
Boden zu im Ausmaße:
a) je nach Bonität bis zu 8 ha Ackerland oder bis zu 12 ha lanschaftlichen Bodens;
b) kinderreichen Familien (mindestens 3 Kinder) je nach Bonität bis zu 10 ha Ackerland oder bis
zu 13 ha landwirtschaftlichen Bodens, soweit möglich mit den dazu gehörenden Einrichtungen
(Wirtschaftsgebäude, lebendes und totes Inventar) und nach durchgeführter Zusammenlegung.
(4) Große Wirtschaftsgebäude, Maschinenanlagen und ähnliche Einrichtungen sind überall dort, wo dies
möglich ist, zum Behufe einer zweckmäßigeren Verwertung den von den Zuteilungsempfängern gebildet
Genossensschaften als Eigentum zuzuteilen.
(5) Das Landwirtschaftsministerium und die Landesnationalausschuß entsenden in die Bezirksbauernkommissionen
Hilfsorgane, die bei den technischen Zuteilungsarbeiten helfen.

§ 5
(1) Der Zuteilungsempfänger ist verpflichtet, den Besitz an dem Entscheidung über die Bodenzuteilung
festgesetzten Tage zu übernehmen.
(2) Der zugeteilte Boden geht mit dem Tage der Übernahme des Besitzes in das Eigentum des Zuteiluugsempfängers
über. Der Zuteilungsempfänger ist verpflichtet, den zugeteilten Boden selbst zu bewirtschaften. Er darf
ihn nur ausnahmsweise in besonders begründeten Fällen und nur mit Zustimmung des Nationalen Bodenfonds
veräußern, verpachten oder in sonstige Nutzung geben. Der zugeteilte Boden darf ohne Genehmigung des Nationalen
Bodenfonds, der die Belastung nur in besonders berücksichtigungswürdigen Fällen bewilligen darf, nicht belastet
werden.

§ 6
In Gebieten, in denen die bisherige Art der landwirtschaftlichen Erzeugung nicht rentabel ist und in denen
die objektiven Gegebenheiten dringend eine Umstellung der landwirtschaftlichen Erzeugung erfordern
(Berggebiete und ähnliche), bleibt der beschlagnahmte Boden bis zur Entscheidung über die Umstellung der
landwirtschaftlichen Erzeugung in dem betreffenden Gebiet unter der Verwaltung des Nationalen Bodenfonds.

§ 7
(1) Das landwirtschaftliche Vermögen wird zu Eigentum gegen eine Vergütung zugeteilt, die nach dem Ertrag,
der Lage, der Entfernung und dem Zustande der Bearbeitung des Bodens, nach den Familienverhältnisaen
des Zuteilungsempfängers und in den in §2 Abs. 1 Buchst. b) angeführten Fällen im Hinblick auf den Wert
des überlassenen Bodens festgesetzt wird, und zwar:
a) mindestens in Höhe des Wertes einer Jahres-Durchschnittsernte des beantragten Bodenausmaßes,
b) höchstens in Höhe von zwei Jahres-Durdschnittsernten des beantragten Bodenausmaßes.
(2) Der Wert des überlassenen Bodens (§2 Abs. 1 Buchst. b) ist nach den in Absatz 1 angeführten Grundsätzen
zu bestimmen.
(3) Die Vergütung für die zugeteilten Baulichkeiten ist in Höhe des ein- bis dreijährigen Mietzinses der
zugeteilten Gebäude festzusetzen. Der Mietzins kann in jedem Falle in Naturalien ausgedrückt werden.
Die Vergütung für das zugeteilte lebende und tote Inventar und für andere Einrichtungen ist nach den
Richtlinien festzusetzen, die von den Landesnationalausschüssen ausgearbeitet und vom Landwirtschafts-
ministerium genehmigt werden.
(4) Erhält der Zuteilungsempfänger nicht gleichzeitig mit dem zugeteilten Boden die erforderlichen
Gebäude und Einrichtungen, und hat er nachweisbar keine Möglichkeiten zu ihrer Beschaffung aus eigenen
Mitteln, kann ihm der Nationale Bodenfonds einen billigen langfristigen Kredit gewähren.
(5) Der Nationale Bodenfonds kann einem Zuteilungsempfänger, der gemäß §2 Abs. 1 Buchst. b) Boden
abgetreten hat, die Vergütung teilweise oder gänzlich erlassen.

§ 8
(1) Die festgesetzte Vergütung (§7) zahlen die Bewerber nach ihren wirtschaftlichen Möglichkeiten ab,
und zwar entweder
a) auf einmal in Geld oder in Naturalien oder spätestens innerhalb von 12 Monaten seit der Übernahme
des Besitzes an der Zuteilung,
b) in Raten, in Geld oder in Naturalien in der Weise, daß 10 % der Vergütung bei der Übernahme des
zugeteilten Bodens zu zahlen sind. Auf Antrag des Bezirksnationalausschusses (der Bezirksverwaltungskommission)
kann der Nationale Bodenfonds auf Grund eines Gutachten der Ortsbauernkommission einen Aufschub der
ersten Rate auf längstens 3 Jahre bewilligen. Der Restbetrag des Entgeltes ist auf Grund eines vom
Nationalen Bodenfonds aufgestellten Ratenplanes spätestens innerhalb von 15 Jahren zahlbar, gerechnet
vom Tage der Übernahme des Besitzes an dem zugeteilten Vermögen.
(2) In besonders berücksichtigungswürdigen und sozial begründeten Fällen kann der Nationale Bodenfonds
nach Durchführung von Erhebungen und Beteiligung der zuständigen Nationalausschüsse und Bauernkommissionen
einem Zuteilungsempfänger, vor allem den in §3 angeführten Person, die Vergütung erlassen und das betreffende
landwirtschaftliche Vermögen unentgeltlich zuteilen.

§ 9
Die von den Zuteilungsempfängern dem Nationalen Bodenfonds gezahlten Vergütungen (§7) verwendet dieser
Fonds dazu, die auf den konfiszierten Vermögen lastenden Schulden und Verbindlichkeiten zu bezahlen,
soweit diese Schulden und Verbindlichkeiten vom Nationalen Bodenfonds anerkannt und übernommen werden,
weiterhin zur Milderung der Kriegsschäden und der Schäden, die dem Vermögen der in der Okkupationszeit
aus national politischen oder rassischen Gründen verfolgten Landwirte zugefügt wurden, zur Hebung der
landwirtschaftlichen Erzeugung und für die Innenkolonisation. Die Überschüsse des Nationalen Bodenfonds
fließen in die Staatskasse.

§ 10
(1) Die gemäß §7 festgesetzte Vergütung umfaßt alle Spesen und Gebühren, die mit der Konfiszierung und
Zuteilung des Bodens, weiterhin mit der Übereignung des eigenen Vermögens an den Nationalen Bodenfonds,
(§2, Abs. 1 Buchst. b), mit der Beförderung der Zuteilungempfänger samt Familien und Inventar durch die
Eisenbahn an den Ort, an dem sich der zugeteilte Boden befindet, sowie auch mit der grundbücherlichen
Übertragung des zugeteilten Eigentums und mit dem Austausch des übereigneten Vermögens verbunden sind.
(2) Die zur Durchführung der Zuteilung und gegebenenfalls zur Übereignung von Boden (§2, Abs. 1 Buchst. b)
erforderlichen Eintragungen in das Grundbuch besorgt der Nationale Bodenfonds.
(3) Die nach diesem Dekret durchgeführten Eigentumsübertragungen und die einschlägigen Eingaben an die
Gerichte und Behörden sind von Stempeln, Gebühren, Steuern und Abgaben befreit.

§ 11
Die Regierung wird ermächtigt, die finanziellen Mittel zur Durchführung der Innenkolonisation bereitzustellen.

§ 12
Dieses Dekret tritt in den böhmischien Ländern am Tage seiner Kundmachung [also 1946-07-26] in Kraft.
Es wird vom Landwirtschaftsminister im Einvernehmen mit dem Finanzminister, dem Innenminister, dem
Justizminister sowie den Ministern für Verkehr und für Ernährung durchgeführt.

Dr. Benesch
Fierlinger

Nosek , Dr. Srobar , Dr. Stransky., Duris , General Hasal, Majer
(alle Unterzeichner eigenhändig)

Veröffentlicht am 26. Juli 1945.